Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
Vom Netzwerk:
stehen wichtige Dinge geschrieben. Das Sternenauge ist nur eines davon«, sagte Jacomo. »Jemand hat uns verraten und den Türken das Geheimnis von den drei Komponenten der Chiffre enthüllt. Darum haben sie vor drei Jahren in der Nacht vor Corpus Christi eine der Lampen gestohlen.«
    Andrea sah Jacomo nachdenklich an. »Natürlich, der Diebstahl der Leuchter   …« Dann begann er, etwas in der Tasche seines Hemdes zu suchen, und zog das Büchlein mit seinen Notizen heraus. Es war feucht geworden, ein paar Blätter klebten aneinander. Er suchte nach der Zeichnung. »Seht her, es war eine Lampe ungefähr dieser Form, nicht wahr?«
    Jacomo nahm das rote Glas von der Laterne, und helles Licht erfüllte den Raum. Er betrachtete die Zeichnung. Die Tinte war verblasst, doch das Dodekaeder ließ sich noch erkennen.
    »Ja, es war ein Dodekaeder.«
    Andrea ließ sich auf eine Bank neben dem Tisch fallen und stützte seine Stirn mit der Hand. »Die gleiche Lampe habe ich in der Glashütte von Ermonia Vivarini gesehen.« Er seufzte entmutigt.
    »Das ist möglich. Lucia war eine sehr gute Glasmeisterin, sie hat mindestens zwanzig solcher Lampen hergestellt, aber nur drei wurden für das Gitter benutzt. Wenn man ein Licht hineinstellt, blitzen die zwölf Glasscheiben aus Cristalìn in allen Farben des Regenbogens auf, sie sehen wirklich aus wie Edelsteine   … Edelsteine des Himmels, so nannte sie Eure Mutter Lucrezia.«
    Andrea starrte Dragan an wie vom Donner gerührt.
    »Edelsteine des Himmels!«, rief er und sprang auf. »In derNacht, der Nacht der Explosion, hat Lucia Vivarini genau diese Worte benutzt! Sie sagte zu mir, ich solle in den Edelsteinen des Himmels suchen, versteht Ihr?«
    Jacomo hörte nur schweigend zu.
    »Sie sagte, ich solle furchtlos suchen«, fuhr Andrea erregt fort. »In den Edelsteinen und in der Seele werde ich die Wahrheit finden.«
    Der alte Glasmeister wartete einen Moment, dann lächelte er Andrea an.
    »So ist es, lieber Andrea, der Edelstein ist die Lampe, und die Seele ist die Harmonie, die Platon in Zahlen übersetzt hat, nämlich jene Zahlen, die im Inneren des Rings eingraviert sind: eins, zwei, drei, vier, neun, acht, siebenundzwanzig. Diese Zahlen sind das Herz des Timaios , des Buches, das mit der Lampe verbunden werden muss, so dass die Seitenzahlen mit den Zahlen auf den Glasscheiben übereinstimmen. Form und gleichzeitig Substanz.«
    Andrea bedeckte sein Gesicht mit der Hand, noch konnte er es nicht fassen, dass er die fehlenden Teile dieses Mosaiks gefunden hatte. »Am Tag vor der Explosion des Arsenale hat die Äbtissin Vivarini mir eine Botschaft geschickt, eine Einladung, sie zu besuchen. Sie wollte mit mir über diese Dinge sprechen. Und bei dem Treffen mit Marin in San Michiel hat er mir den Teil des Timaios vorgelesen, wo Platon schreibt: Zuerst nahm er einen Teil des Ganzen, danach nahm er ein Doppel desselben, hierauf ein Drittel, welches anderthalbmal vom zweiten Teil und dreimal vom ersten war   …«
    »…   dann einen vierten «, fuhr Jacomo fort, » welcher das Doppelte des zweiten war, darauf einen fünften, welcher das Dreifache des dritten war, hierauf einen sechsten, welcher achtmal der erste war und zuletzt einen siebenten, welcher siebenundzwanzigmal der erste war.«
    Sie sahen einander an.
    »Alles ist teilbar und alles ist auf die Einheit zurückzuführen«, sagte Jacomo. »So wie jede einzelne Seele für sich existiert undzugleich Teil der großen Weltseele ist. Einheit in der Verschiedenheit. Das ist das Prinzip von allem und hat uns Wächter, trotz der Besonderheit jedes Einzelnen von uns, immer verbunden. Ein Buch zu retten bedeutet für uns, alle zu retten.«
    Andrea ahnte, welch erhabene, große Gedanken er vernahm und blickte wieder in den besternten Himmel, als könnte er nur dort oben den richtigen Platz für seine Gedanken finden.
    »Ein Edelstein des Himmel«, sagte Jacomo. »Durch das Glas, aus dem er gemacht ist, besitzt er die Ewigkeit der Seele, aber auch ihre Zerbrechlichkeit.«

123
    Filippo Tomei hatte sich gehütet, in Battaglia Station zu machen, sondern für fünfzehn Lire einen Karren mit Pferd gemietet und war direkt nach Galzignan weitergefahren. Kurz vor dem Dorf hatte er auf einem Brachfeld das Lager einer Truppe Soldaten gesehen. Die Soldaten hatten wahrscheinlich einen ganzen Tagesmarsch hinter sich, sie ruhten sich an einer der vielen heißen Quellen aus, die in dieser Gegend aus dem Boden kamen. Die Küchenmeister hatten ein

Weitere Kostenlose Bücher