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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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sich und entfernten sich wieder voneinander. Er spürte Sofia zittern und streichelte sie, sie schmiegte sich eng an ihn, ihre Hände drückten gegen seinen Rücken. Sie sahen einander in die Augen. Der Kuss kam spontan wie ein Lächeln oder ein Weinen. Als sie sich voneinander lösten, schienen die Sterne in Sofias Augen gesunken zu sein. Sie glänzten voller Tränen. »Ihr kommt nicht mit mir, nicht wahr?«
    Andrea drückte sie wieder an sich, erstaunt über ihre klare Intuition. Sie hatte recht! Es konnte nicht anders sein. Er wusste, wie hartnäckig Venedigs Justiz ihn verfolgen würde. Er war Andrea Loredan, der Sohn des Dogen. Gab es ein besseres Beispiel, um dem Volk, den Bürgern, zu beweisen, dass die Gerichtsbarkeit der Serenissima nur ein einziges Maß für alle kannte? Wenn er festgenommen war, würde Sofias Freiheit ein Teil jenes doppelten Spiels gegenseitigen Nehmens und Gebens werden. Man würde sie und Gabriele in Ruhe lassen.
    »Ja, es ist besser, wenn ich bleibe. In Florenz seid Ihr in Sicherheit, und mit Eurem Können als Schneiderin werdet Ihr Euch dort ein neues Leben aufbauen«, sagte Andrea mit vor Rührung brüchiger Stimme.
    »Allein die Vorstellung, dass man Euch ein Leid antun könnte   …« Sie konnte nicht weitersprechen und drängte sich an ihn.
    Andrea nahm sein Ledersäckchen. »Sucht nicht nach mir, Sofia, schickt mir keine Nachrichten, denn dann könnte der Inquisitor Euch finden.« Er gab ihr das Geld. »Es ist nicht viel, aber es wird Euch nützlich sein.«
    Sofia wollte es nicht annehmen.
    »Bitte nehmt es, dann kann ich beruhigter sein.« Er zog sich den goldenen Ring vom Finger und gab ihn ihr. »Nehmt auch diesen Ring, er ist mein Versprechen für Euch.«
    Versonnen betrachtete Sofia den Ring. »Und was kann ich Euch geben? Sie haben mir alles genommen   …«, sie hielt einenAugenblick inne. Dann leuchtete ihr Gesicht auf, sie ergriff den Saum ihres Kleides, riss mit der Unbefangenheit der erfahrenen Schneiderin einen Streifen ab, ging zum Fluss, tauchte den Stoff ins Wasser, wrang ihn aus, küsste ihn dreimal und riss ihn noch einmal der Länge nach in zwei Hälften. Eine behielt sie, die andere band sie Andrea um das Handgelenk.
    »Die große Seele, die alles ist und alles durchdringt, wird uns verbunden halten. In diesem Stoff ist mein Versprechen vor den Engeln. Und mein Wesen. Er wird Euch beschützen.«
    Andrea lächelte nicht und sagte nichts. Sie umarmten sich. Dann wandte Sofia sich unvermittelt von ihm ab und eilte zu dem Karren, der sie erwartete. Andrea hörte sie weinen, es drängte ihn, ihr nachzulaufen, er blieb stehen und beobachtete, wie ihr Schatten in die Nacht eintauchte. Dann dreht auch er sich um und ging, die Kälte der plötzlichen Trennung spürend, den Weg über die Brücke zurück.

127
    Zur ersten kanonischen Stunde, als die Garnison der Soldaten unter dem Kommando des Stadtvikars Zuànbattista Iancarli aufbrach, wie versprochen, versammelten die Mönche sich zur Matutin in der Kirche, und der Abt las die Psalmen eins, zwei und sechs, um Gottes Schutz vor dem bösen Feind zu erflehen. Während des Segens ging die Sonne auf und stieg an der Fassade der Kirche empor, der erste Strahl drang durch die farbigen Gläser der von Jacomo geschaffenen Rosette, breitete sich über die Apsis aus und fiel auf den Hochaltar. Die Mönche sangen das Magnificat, Andrea und Jacomo stimmten in den Gesang ein. Um die dritte Stunde wurde eine Prozession auf der Straße von Torreglia gesichtet. Der Abt befahl seinen Mitbrüdern, den Tag fortzusetzen, wie die Regel des heiligen Benedikt es gebot.
    Eine Stunde später erreichte das Geräusch des ersten Karrens, der unter Rufen und Peitschenknallen die Kurve und den steil ansteigenden Weg nahm, die Mauern des Klosters. Die Mönche, die begonnen hatten, die Weinberge umzugraben, erkannten auf dem Kutschbock neben dem Fahrer die wehende schwarze und weiße Kutte eines Dominikaners. Auf dem nächsten Karren, der in kurzem Abstand folgte, hatte Lorenzo da Mula im Purpurmantel des Prokurators Platz genommen. Ihn kannten die Mönche gut, denn er pflegte dem Kloster jedes Jahr während der Karwoche einen Besuch abzustatten, um seine Seele von Sünden zu reinigen. Auf dem dritten Karren saß, in seinen Priestermantel gehüllt, die Kapuze fest um den Kopf gezogen, ein weiterer Mönch. Den Wagen folgten etwa zwanzig Reiter mit den Insignien von Padua und Venedig. Etwa hundert Schritt hinter ihnen eine Abteilung von dreißig

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