Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
versuchte mit zitternden Fingern, sie in den Lauf der Muskete zu stecken. Endlich gelang es ihm, und er stopfte nach. Er legte die Waffe auf die Wegerung.
» Mater Salvatoris, ora pro nobis .«
Die türkische Kanone donnerte. Die Real von Don Juan antwortete mit Kugeln. Dieses Mal war der stechende Salpetergeruch deutlich wahrzunehmen. Ein erneutes Signalgewitter mit Spiegeln setzte ein, die Galeeren am linken Flügel der Liga unter dem Kommando von Agostino Barbarigo beschleunigten den Rhythmus ihrer Ruder und verteilten sich bis zur Küste, um den Türken diesen Weg übers Meer zu versperren.
»Heckruderer, bereithalten!«, rief der Kapitän.
Jeder setzte flüsternd das Gebet fort. Andrea ergriff das Ruder, löste den Haltering und gab, als die Glocke erklang, den Takt vor, in dem sie zu rudern begannen. Die Donna Velata gewann an Fahrt, bald war sie Barbarigos Galeeren um drei Schiffslängen voraus. Andreas Angst verflog bei diesem energischen Rudern in Richtung Feind, dessen unaufhörliches Trommelwirbeln, Hörnerklang und Geschrei man zwischen dem Klatschen des aufgewühlten Wassers nun deutlicher unterscheiden konnte. Es erstaunte Andrea selbst, dass diese Fahrt in eine wirkliche, unvermeidliche Schlacht ihn von allem Kummer befreite, statt ihn zu erschrecken. Schon einmal hatte er dieses widersinnige Gefühl des Friedens und der Erleichterung verspürt, als er während eines Einsatzes in Zypern im vergangenen Winter unter dem Kommando von Marco Querini gekämpft hatte. Mit einer bescheidenen Flotte aus zwölf leichten Galeeren und vier Handelsschiffen voller Waffen, Lebensmittelvorräte und Soldaten, die in Candia in See gestochen war, hatte der Provveditore die türkische Belagerung von Famagosta durchbrechen und der Festung Nachschub liefern können. Schon wenige Monate später, am 20. Juni, hatte sich diese Erfahrung wiederholt, als Müezzinzade Ali Candia angegriffen und Querini die Stadt mutig verteidigt hatte.
Man hörte ein lautes Geräusch, es waren die Rahen der dreiundfünfzig Galeeren des linken Flügels, die an den Masten herabglitten. Rasch wurden die Segel zusammengelegt. Andrea wechselte einen Blick mit seinem Kameraden. »Nun geht es los«, sagte er und sah, dass auch in den Augen des anderen ein neues Licht, eine wiedergefundene Hoffnung aufleuchtete.
Unmittelbar darauf begann das Inferno, als eine der beiden Fünfzigpfund-Kolubrinen am Bug der Galeasse Duoda donnernde Schüsse abgab. Ihr folgten die beiden Galeassen von Ambrogio und Antonio Bragadin, die eine Drittelmeile vor dem linken Flügel lagen und mit ihren vier Kolubrinen am Bug dasFeuer eröffneten. Das Pfeifen der Geschosse und ihr Aufschlag auf das Holz der Galeeren von Mehmet Schirokko und Caur Ali erfüllten die Luft.
Vom Achterkastell der Sultana aus sah Müezzinzade Ali Pascha das Feuer zwischen seinen Schiffen auflodern und Masten brechen, während die Linie auf der rechten Seite sich krümmte, sich auflöste und zu einem wirren Haufen Hölzer wurde. In den Rauchwolken der ersten Schüsse sah er, wie die beiden großen Galeassen ein wenig steuerbord drehten und von der linken Flanke eine rasche Folge weißer Wolken abgaben. Einen Augenblick später hörte er den Donner der Schüsse und sah mehrere seiner Schiffe in Richtung Küste drehen, um die Christen in die Zange zu nehmen. Sie schlingerten stark, die Masten tauchten fast ins Wasser. Es gab eine Explosion, ein Feuerwerk, das Bahnen aus Rauch und Licht in den Himmel schleuderte. Dann kam ein heißer Wind an, glühende Materie, der ungeheure Knall einer explodierenden Pulverkammer auf einer Galeere. Alles was er sich über die Galeassen gedacht hatte, die der Feind als Vorhut einsetzte, war nichts im Vergleich zu dem, was er nun sah. Es übertraf seine schlimmsten Vorahnungen, und während das Leichentuch aus den Rauchwolken der Artillerie und der Brände sich über die Inseln legte, erkannte er, dass er, wenn er siegen wollte, die Entfernungen verringern, an den Kanonen der großen Galeeren vorbeifahren und die Christenschiffe entern musste, um sie zu einem Kampf Mann gegen Mann zu zwingen. Also begann er, schreiend Befehle zu geben, die seine Offiziere wiederholten. Der Rudertakt wurde hektisch, Ali starrte auf die Reale von Don Juan, die er wenige Meilen entfernt vor dem Bug hatte, und befahl seinen Steuermännern, direkt auf sie zuzuhalten.
Die Santa Maddalena von Marino Contarini hatte sich einen Weg gebahnt, indem sie aus allen Bugkanonen Feuer auf die
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