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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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der Wand aus Schreien und Schüssen, die der entsetzliche Schlachtlärm von fünfhundert Schiffen, hundertfünfzigtausend Mann und zweitausend Kanonen aufgerichtet hatte. Hinter ihm standen mit schussbereiten Waffen seine Fanti.
    Ich muss am Leben bleiben, dachte er. Einen Augenblick später sah er die Flammen. Die Bordwand der Galeere. Ruder, die sich hoben, zerbrachen, den Rammsporn der Sole , der über das feindliche Deck ragte. Er sah die Sipahi, die ihre Bögen auf ihn anlegten. Mit der Arkebuse in seiner Rechten feuerte er zurück und schwang sich gleichzeitig auf den Rammsporn. Vor ihm einer der Sipahi, der das Krummschwert hob. Rossi schoss ihm mit seiner zweiten Arkebuse aus nächster Nähe in den Kopf, der zerplatzte. Entschlossen sprang er auf das feindliche Schiff, ließ die Arkebusen fallen und zog das Schwert.
    Er war der Erste und kam dank der Rauchwolken und des Überraschungsmoments davon, doch hinter ihm auf der Enterbrücke begannen Janitscharen und Sipahi, seine Fanti abzuschlachten.
    Der Kapitän der Donna Velata sah drei türkische Fregatten aus der Rauchwand vor der Küste kommen. Die mit Männern beladenen Schiffe hatten dank ihres flachen Kiels die Untiefe passiert und steuerten auf Barbarigos Patrona zu, die bereits von zwei türkischen Galeeren angegriffen wurde, versuchten sievom Heck her einzukreisen und zu rammen. Er musste sie aufhalten, denn wenn das Manöver gelang und die Türken dieses Schiff enterten, würde sich auf dem linken christlichen Flügel eine riesige Lücke auftun, ein Korridor, durch den die fünfzig Galeeren Schirokkos die mittlere Schlachtreihe umzingeln und angreifen konnten, und das würde die Niederlage der Liga bedeuten. Der Kapitän wechselte rasche Signale mit der anderen Brigantine und befahl seinen Ruderern, den Takt zu beschleunigen, und dem Mann am Steuer, Kurs auf die türkischen Fregatten zu nehmen.
    Rasch passten Andrea und seine Männer sich dem neuen Rhythmus an. Andrea blickte zur Küste: Auf dem linken Ufer des Acheloos hatten sich die Reiter der Sipahi in einer mindestens zwei Meilen langen, bis zu den Klippen im Osten reichenden, ununterbrochenen Reihe aufgestellt und schossen dichte Pfeilwolken auf die christlichen Schiffe, die ihnen zu nahe kamen. Die Brigantine lag knapp außerhalb der Reichweite der Pfeile, doch von Zeit zu Zeit konnten die stärksten Schützen einen Pfeil bis wenige Fuß vor das Schiff schießen. Man hörte sein trockenes Surren, wenn er sich in das Wasser bohrte, dann tauchte er wieder auf und schwamm an der Oberfläche. Das Meer war mit Pfeilen übersät.
    Der Kapitän sah die türkischen Fregatten nach steuerbord wenden und ihren Bug auf die Brigantinen richten. Sie nahmen die Aufforderung zu Kampf an. Dreihundert Schritt fehlten bis zum Zusammenstoß, er sagte es seinen Männern, die mit dem Rücken zum Feind ruderten. Er fragte, ob jemand den Brustpanzer anlegen wollte. Doch keiner wollte ihn, lieber starb man durch einen Pfeil, als vom Gewicht der halben Rüstung auf den Meeresgrund gezogen zu werden. Die beiden ersten Ruderer erhielten jedoch den Befehl, die Ruder einzuziehen, ihre Schilde zu nehmen und die Musketen zum Schuss bereitzuhalten. Die andere Brigantine erhielt dieselben Befehle.
    Das befreiende Gefühl, das Andrea verspürt hatte, wurde zurLust auf den Kampf, auf die körperliche Überwindung des Feindes, als wären diese Türken eine hohe, unüberwindliche Mauer, eine Kette, die ihn fesselte und zurückhielt. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie jemanden gehasst, jetzt überkam ihn das heftige Verlangen, zu töten.
    »Noch hundert Schritt! Denkt daran, was diese Hunde in Famagosta getan haben! Rächen wir Bragadin!«, schrie der Kapitän. Gleich darauf bohrte sich ein Pfeil zwei Spannen vor seinem Gesicht in die Schottwand der Kabine. Der Mann hob den Schild aus Metall, der glänzte wie ein Spiegel, und die Sonnenreflexe bildeten einen blendend hellen Lichtkreis.
    »Viva San Marco! Bugmannschaft, Ruder einziehen, Musketen anlegen!«, schrie er. Dann griff er zu seinem Gewehr: »Ihr feuert auf mein Kommando! Wir entern! Möge Gott uns helfen!«
    Andrea wusste genau, was nun geschehen würde. Sie hatten sich gründlich auf diesen Augenblick vorbereitet. Der Rest lag wirklich in den Händen der göttlichen Vorsehung oder des Schicksals.
    »Feuer!«, schrie der Kapitän, als schon mehrere Pfeile auf seinen Schild trafen und daran abprallten. Ein trockener Schuss, Rauch, der Geruch von Schießpulver.

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