Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
bereitwillig heiraten würde … außer diesem, und er ist der Mann meiner Halbschwester und der Vater ihres Kindes.
    Sie richtete sich müde auf und beugte sich dann wieder vor, um weiter kleine Ölflaschen zu füllen.
    »Kassandra, das Öl läuft ständig daneben. Du darfst die Kelle nicht so voll machen«, sagte Kreusa vorwurfsvoll, die herübergekommen war und sich neben sie gesetzt hatte. »Worüber hat mein Mann mit dir so lange gesprochen?«
    »Er hat gefragt, wie ich diesen Krieg führen würde, wenn ich ein Mann wäre.« Kassandra war über diese Frage so überrascht, daß sie die Wahrheit sagte. Kreusa lachte nur.
    »Du mußt es mir nicht sagen, wenn du es nicht willst«, erklärte sie spöttisch, »ich gehöre nicht zu den Frauen, die eifersüchtig sind, wenn ihr Mann mit einer anderen Frau redet.«
    »Es ist die Wahrheit, Kreusa. Das ist eines der Dinge, die er gesagt hat. Außerdem haben wir überlegt, was wir tun, falls die Achaier während der Aussaat keinen Waffenstillstand halten.«
    »Ach, ich nehme an, es hängt damit zusammen, daß du eine Priesterin bist und solche Dinge weißt«, sagte Kreusa, »aber selbst Agamemnon könnte nicht so gottlos sein. Oder doch?« Und als Kassandra nicht sofort antwortete, fragte sie: »Du bist eine Seherin - du müßtest es wissen. Könnte er so gottlos sein?«
    Kassandra wußte es nicht. Sie antwortete: »Ich hoffe nicht. Ich weiß nicht, was sie tun oder wie sie ihren Göttern dienen. «

7
    Es half Kassandra nichts, daß sie eine Seherin war. Wenn sie später an das erste Kriegsjahr dachte, erinnerte sie sich nur an Brände, Überfälle, schreiende Männer, die von Feuerpfeilen getroffen beinahe bei lebendigem Leib verbrannten. Eine Frau war versehentlich in das Lager der Achaier geraten und von einem Dutzend Männer mißbraucht worden. Man fand sie schluchzend und völlig von Sinnen. Die Heilpriesterinnen im Tempel des Sonnengottes kämpften um ihr Leben. Aber am ersten Tag, an dem es ihr gut genug zu gehen schien, daß man sie eine Weile unbewacht lassen konnte, stürzte sie sich von der hohen Tempelmauer. Jemand von so niederer Herkunft, daß er die Aufgabe nicht ablehnen konnte, mußte hinuntergehen und ihren zerschmetterten Körper bergen.
    Einige Tage vor der Frühjahrs’aussaat weckte die Priester und Priesterinnen ein fröhlicher Fanfarenstoß aus dem Palast. Sie stellten voll Erleichterung fest, daß im Hafen keine Schiffe mehr lagen. Die Achaier waren abgezogen, und ein langer schwarzer, schmutziger und stinkender Uferstreifen verriet, wo ihre Zelte gestanden hatten.
    ln der Stadt herrschte Freude, die nicht davon beeinträchtigt wurde, daß Hektor alle verfügbaren Männer hinunter an den Strand schickte, um den Schmutz und den Abfall zu beseitigen. Auch sein Sohn, der kleine Astyanax, war dabei. Er rannte plappernd zwischen den Soldaten herum und wurde von allen verwöhnt. Er kam ständig mit irgendwelchem Abfall, den er für einen Schatz hielt: eine glänzende Bronzeschnalle von einem Pferdegeschirr, ein zerbrochener Holzkamm, ein Fetzen Pergament, auf das jemand einen einfachen Plan der Stadt gezeichnet hatte. Kassandra nahm dem protestierenden Kind das Pergament ab, betrachtete es lange und fragte sich, welcher Feind Troias das gezeichnet hatte.
    »Gib es mir zurück!« schrie Astyanax und streckte die Hand danach aus. 
    Kassandra sagte: »Nein, Kleiner, das muß dein Großvater sehen. «
    »Was muß er sehen?« fragte Hektor, nahm Kassandra das Stück Pergament ab und gab es dem Kind zurück. Kassandra beugte sich hinunter und nahm es trotz des Protestgeheuls des wütenden Kindes wieder an sich.
    »Was hast du, Kassandra? Gib es ihm. Sie sind weg. Es besteht kein Grund, sich mit dem Abfall zu beschäftigen, den sie zurückgelassen haben«, sagte Hektor. »Hör auf zu schreien, Astyanax, dann darfst du in Vaters Streitwagen fahren.«
    »Sie werden nicht lange wegbleiben«, prophezeite Kassandra, »glaubst du, mit dem hier würden sie ihren Vorteil nicht nützen?« 
    »Du legst dem zu großen Wert bei«, sagte Hektor, »was willst du damit?«
    Kassandra wies auf die ihr vertrauten Zeichen, die sie aber nicht alle entziffern konnte.
    »Das war jemand aus Kreta. Und ich dachte, sie waren unsere Verbündeten. Ich muß es ihm zeigen … « Dann fiel ihr etwas Besseres ein, und sie sagte: »Helena hat eine Kreterin in ihrem Gefolge. Ich werde das Aithra zeigen. Wenn jemand diese merkwürdige Schrift lesen kann, dann sie als Königin und

Weitere Kostenlose Bücher