Die Feuer von Troia
Namen Achilleus gegeben. Glaubst du wirklich, wenn du uns verläßt und zu den Achaiern gehst, wirst du für ihn mehr sein als jede beliebige Hure oder Sklavin?«
»Ich kann ihn unmöglich so sehr lieben, ohne Gegenliebe zu erwecken«, erwiderte Briseis.
Kreusa schüttelte sie bei den Schultern.
»Hör auf uns, du verrücktes Ding! Diese Art Liebe ist das Hirngespinst eines dummen, kleinen Mädchens! Wenn du unbedingt einen Mann haben willst, werde ich mit meinem Vater sprechen, und er wird dich verheiraten. Hier sind Soldaten und Heerführer aus aller Welt, und dein Vater ist in seinem Land ein geachteter Mann. Der König wird einen würdigen Gemahl für dich finden.«
»Aber ich will keinen würdigen Gemahl«, rief Briseis, »ich will Achilleus. Ich liebe ihn. Du bist eifersüchtig, weil du diese Liebe nie kennengelernt hast, sonst wüßtest du, daß ich nicht anders kann. Für mich gibt es auf der Welt nichts außer Achilleus. Ich kann weder essen noch schlafen, weil ich immer an ihn denken muß - an seine Augen, seine Hände…« Der Ton, in dem sie den Namen aussprach, überzeugte Kassandra, daß alle ihre Worte in den Wind gesprochen waren.
»Laßt sie«, sagte sie entmutigt, »das ist ein Fieber wie bei Paris und Helena. Es ist ein Fluch der Aphrodite, ihrer Göttin der Liebe. Sie wird bald genug zur Vernunft kommen, wenn sie ihn erst einmal gehabt hat. Aber dann ist es zu spät«, sagte sie.
»Wenn ich ihn nur haben kann, ist mir gleichgültig, was hinterher mit mir geschieht«, sagte Briseis, und Hekabe wischte sich Tranen aus den Augen.
»Armes Kind«, meinte sie, »ich kann dich nicht daran hindern. Geh, wenn du willst, und trage die Folgen deiner Dummheit. Ich werde Priamos bitten, daß er dich in einer Sänfte mit der Botschaft hinuntertragen läßt, daß du ein Geschenk für Achilleus bist. Wenn er geruht, dich anzunehmen, und dich nicht den gemeinen Soldaten vorwirft, um seine Verachtung für unsere Geschenke zu zeigen … «
Briseis wurde blaß, sagte aber dann: »Wenn er sieht, wie sehr ich ihn liebe, muß er mich auch lieben.«
Und wenn es so ist, bist du schlechter dran als vorher , dachte Kassandra und schwieg.
Sie sah zu, wie die Frauen Briseis ankleideten und schmückten. Hekabe legte ihr sogar eine goldene Kette um den Hals. Kassandra beneidete Briseis beinahe - sie sah so glücklich und so froh aus.
Frauen träumen von dieser Art Liebe. Dann kommt der Strick durch die Fußgelenke, die Sklaverei, die Erniedrigung.
Ich sollte an ihrer Stelle sein. Achilleus wollte mich haben, und mich würde er bestimmt so aufnehmen, wie es meinem Rang gebührt. Und dann …, während er schliefe, ein Dolch in die Kehle und vielleicht das Ende dieses Krieges … Der große Achilleus wäre nicht von einem Helden, sondern von einer Frau besiegt, von seiner eigenen Leidenschaft, obwohl alle Krieger Troias ihm nicht das Ende bereiten konnten.
Wartet auf diese Frau mein Schicksal?
Nein, die Götter mögen uns manchmal geben, was anderen gehört, so wie Paris die Gemahlin des Menelaos bekommen hat. Aber das Schicksal eines anderen Menschen kann niemand übernehmen.
Ich vertraue darauf, daß es so ist. Ich glaube es,denn wenn es nicht wahr ist, weiß ich nicht, wie ich meine Schuld jemals ertragen soll.
Eines Tages ging Kassandra wieder einmal in den Palast hinunter und fand Helena im Hof. Sie blickte auf das Lager der Achaier. Ihr Sohn Bynomos konnte inzwischen laufen. Kassandra rechnete nach und stellte fest, daß Helena inzwischen beinahe zwei Jahre bei ihnen lebte. Man konnte sich die Frauengemächer ohne sie nur noch schwer vorstellen, auch nicht, daß einmal kein Krieg geherrscht hatte.
Vor drei Jahren habe ich noch bei den Amazonen gelebt , dachte sie und wünschte, sie wäre wieder zurück auf der Ebene und fern von der Stadt und den Palastmauern.
Würde ich den Tempel des Sonnengottes verlassen? ER hat mich vergessen. ER spricht nicht mehr zu mir. Ich bin nicht mehr als jede andere Frau. Aber ich liebe einen Gott und keinen Mann … Vermutlich ist es besser, einen Gott zu lieben als einen Mann wie Paris oder Achilleus …
Sie dachte an Briseis, und ihr Blick suchte das Zelt von Achilleus. In der Nähe entdeckte sie die bunten Vorhänge der Sänfte, in der Hekabe das Mädchen damals hinuntergeschickt hatte. Dann sah sie im Eingang die aufrechte Gestalt des Kriegers und daneben eine kleinere, rundlichere, bunt gekleidete Frau. Briseis? Also hatte er das Geschenk zumindest nicht verachtet und
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