Die Feuer von Troia
kannst.«
»Haltet ihr mich für einen Wüstling?« empörte sich Khryse. »Ich bin ein trauernder Vater, und ich rufe Apollon an, daß das Unrecht, das mir widerfahren ist, wiedergutgemacht wird. «
»Nun, Agamemnon«, sagte der Oberpriester der Achaier, »mir scheint, es gibt keinen anderen Ausweg. Wir müssen Gerechtigkeit walten lassen und die Tochter dieses Mannes zurückgeben.«
Agamemnon erhob sich und verschränkte die Arme. »Niemals! Die Kleine gehört mir.«
»Sie gehört dir nicht«, erwiderte der Priester. »Du hast sie während eines Waffenstillstands für die Frühjahrs’aussaat geraubt, und auch die Erdmutter zürnt dir wegen dieser Gottlosigkeit. «
»Keine Frau, auch keine Göttin kann mir vorschreiben, was ich tun oder lassen soll!« rief Agamemnon. Kassandra beobachtete, wie alle Männer zusammenzuckten. Odysseus erhob sich aufgebracht. »Die Unsterblichen«, sagte er, »verabscheuen Anmaßung und Stolz, der nur ihnen zusteht, Agamemnon. Gib die Frau zurück und entrichte ihrem Vater den rechtmäßigen Brautpreis.«
»Ich soll sie aufgeben… « Zum ersten Mal wirkte Agamemnon leicht unsicher. Ihm war nicht entgangen, daß seine Heerführer ihn alle mißbilligend ansahen. »Ich soll diese Frau aufgeben«, sagte er drohend, »und ihr behaltet alle Beute, die ihr erobert habt, und macht euch über mich lustig? Achilleus, ich frage dich, wenn ich gezwungen werde, die Frau zurückzugeben, wirst auch du die Frau in deinem Zelt zurückgeben?«
Achilleus sprang auf. »Ich war nicht so dumm, sie einem Apollonpriester zu rauben und einen Fluch auf uns alle herabzubeschwören, Agamemnon! Briseis ist bei mir, weil sie mich allen Söhnen des Priamos vorzieht. Und da ich dir zuliebe nach Troia gekommen bin, Agamemnon, obwohl ich eigentlich auf der Seite der Troianer kämpfen sollte, sehe ich nicht ein, warum Briseis mit dieser Sache überhaupt etwas zu tun haben soll. Sie ist eine gute Frau. Sie ist aus freien Stücken zu mir gekommen, und sie ist in vielen Frauenarbeiten sehr geschickt. Ich denke daran, sie mit nach Hause zu nehmen - wenn ich lebend aus diesem Krieg zurückkehren sollte - und sie zu meiner Frau zu machen. Denn anders als du muß ich nicht eine häßliche alte Königin heiraten, um Herrscher über eine Stadt zu werden.«
Agamemnon biß die Zähne zusammen. Kassandra sah ihm an, daß es ihn große Mühe kostete, sich zu beherrschen.
»Ich möchte dich daran erinnern«, knurrte er, »daß meine Königin die Zwillingsschwester jener Helena ist, die man für schön genug hält, daß wir diesen Krieg ihretwegen führen. Ich frage dich: Ist meine Königin weniger wert, nur weil ihr rechtmäßig eine Stadt gehört? Sie hat mir edle Kinder geboren, und ich glaube, damit ist genug über sie gesagt.«
»Ja, genug«, sagte der Oberpriester. »Agamemnon, du hast geschworen, alles zu tun, was notwendig ist, um uns vor der Pest zu retten. Deshalb haben wir beschlossen, daß Chryseis ihrem Vater zurückgegeben werden muß. Wir werden uns alle an der Mitgift beteiligen, die er fordert.«
Agamemnon ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. »Seid ihr alle dieser Meinung?« fragte er. »Trotz allem, was ich für euch getan habe? Ihr würdet es verdienen, daß ich sage: Sucht euch einen anderen Heerführer. Menelaos - stehst du auch auf ihrer Seite? Willst auch du mich berauben?«
Der schmächtige, braunhaarige Mann mit dem dünnen lockigen Bart trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Für deine Gottlosigkeit möchte ich nicht unter Apollons Zorn leiden müssen. Auch nicht für dein Pech oder deine schlechten Manieren, eine Frau zu rauben, die man besser in Ruhe gelassen hätte.«
»Wie hätte ich wissen sollen, daß ihr verwünschter Vater ein Priester ist? Und selbst wenn, was glaubst du, kümmert es mich? Wir verbringen unsere Zeit nicht damit, über ihren Vater zu sprechen!« tobte Agamemnon.
Die Priesterin hinter Kassandra preßte die Lippen zusammen, um nicht laut herauszulachen, und flüsterte: »Mit Sicherheit hast du deine Zeit nicht damit verbracht, Anstand zu lernen.« Jetzt hätte Kassandra beinahe gelacht. Agamemnon Kopf fuhr herum, und er starrte die Frauen wütend an.
»Also gut«, knurrte er. »Da ihr euch alle gegen mich verschworen habt und mich ausrauben wollt, nehmt die Kleine. Aber als Ersatz will ich die Frau von Achilleus.«
Achilleus sprang auf und schrie: »Nein! Nur über meine Leiche!«
»Das läßt sich machen, wenn du darauf bestehst«,
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