Die Feuer von Troia
aber nicht genug Leute, denen es gelang, die Blockade der Achaier zu durchbrechen, und die sich soweit auf das offene Meer hinaus wagten.
»Und wenn es ein Boot schafft, fangen die Achaier es meist ab und nehmen sich die besten Fische. «
Honig, Früchte und Brot gab es im Überfluß. Da Weinreben in der ganzen Stadt wie Unkraut wuchsen, erntete man auch genug Trauben, um Wein zu keltern.
Priamos wollte von Kassandra den Verlauf der Unterhandlungen Wort für Wort wiederholt haben. Über Agamemnons Anmaßung schüttelte er ärgerlich den Kopf und sagte: »lch habe im Lager der Achaier keine Pestopfer mehr gesehen. Mögen die Götter unsere Stadt verschonen. Also ist die Frau wieder bei uns. Was will ihr Vater jetzt mit ihr tun?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht danach gefragt. Ich beabsichtige auch nicht, es zu tun, und es ist mir gleichgültig. Bei der Mitgift, die sie von den Achaiern bekommen hat«, fuhr sie fort, »wird er mühelos einen Ehemann für sie finden. Die Achaier wollten den Sonnengott unbedingt versöhnen. Und nach der Pest ist das nicht weiter verwunderlich.«
»Ich nehme an, keiner ihrer Führer ist an der Pest gestorben?«
»Nicht daß ich wüßte«, sagte Aeneas. »Jedenfalls sind weder Agamemnon noch Achilleus erkrankt. Aber nachdem Chryseis das Lager verlassen hatte, wären sie beinahe aufeinander losgegangen. Schließlich verschwand Agamemnon in seinem Zelt, und Achilleus stapfte zu seinem. Sie scheinen sich gestritten zu haben.«
»0 ja«, sagte Kassandra und berichtete, daß Agamemnon Briseis als Ausgleich für den Verlust von Chryseis gefordert und was Achilleus ihm darauf geantwortet hatte.
»Das erklärt, was ich später beobachtet habe«, sagte Aeneas. »Ein Trupp Soldaten von Agamemnon marschierte zum Zelt von Achilleus, und es kam zu einem Handgemenge mit seinen Männern. Dann erschien Odysseus und sprach lange mit allen. Schließlich entfernten die Soldaten des Achilleus alle Feldzeichen und Fahnen, und es sah ganz so aus, als wollten sie abfahren.«
»Hoffen wir, daß die Götter genau das wollen», meinte Hektor. »Agamemnon ist ein ehrenhafter Feind. Achilleus ist verrückt, und ich kämpfe lieber gegen vernünftige Männer.«
Kassandra hatte Kreusas zweite Tochter, die kleine Kassandra, auf dem Schoß und sagte: »Ich glaube, kein Mann, der in diesem Krieg kämpft, ist bei Verstand.«
»Wir wissen alle, was du glaubst, Kassandra«, erwiderte Hektor, »und wir haben keine Lust mehr, es immer und immer wieder zu hören.«
»Hektor, glaubst du wirklich, wir könnten diesen Krieg gewinnen? Wenn die Götter Troia zürnen …«
»Ich habe noch nichts von IHREM Zorn gesehen«, unterbrach Hektor sie. »Jetzt scheint der Sonnengott aber auf die Achaier zornig zu sein. Wenn Achilleus abgefahren ist, fürchte ich keinen der anderen Heerführer. Wir werden kämpfen und den Krieg ehrenvoll gewinnen. Dann schließen wir Frieden und leben friedlich mit ihnen zusammen - wenn wir Glück haben für den Rest unseres Lebens.«
»Und was geschieht mit uns?« fragte Paris. Er saß neben Helena, die einen der Zwillinge mit zerdrückten Früchten fütterte. Sie wirkte ausgeglichen und heiter. Sie ist hübsch, dachte Kassandra, aber von der unwiderstehlichen Schönheit ist nichts mehr zu sehen, die sie besaß, als die Göttin sie überschattete.
»Wenn wir Frieden schließen«, sagte Andromache, »wird es auch für euch Frieden geben, und ihr könnt mit euren Kindern leben, wie ihr wollt.«
»Ohne Krieg ist die Welt langweilig«, sagte Hektor und gähnte.
Paris war anderer Ansicht. »Ich habe bereits mehr Krieg erlebt, als mir lieb ist. Es muß im Leben Besseres geben als das.«
»Du redest wie unsere Schwester«, brummte Hektor. »Aber, ob es uns gefällt oder nicht, es wird Frieden geben. Und wenn alles versagt, gibt es Frieden im Grab. Dann haben alle Kämpfe und alle Reden von Ruhm und Ehre ein Ende.«
Kassandra sagte trocken: »Der Gott des Achilleus hat ganz bestimmt einen anderen Himmel geschaffen, wo die Helden tagein, tagaus kämpfen.«
»Für mich wäre das nicht der richtige Himmel«, entgegnete Paris, »hier wird genug gekämpft. Ich habe nicht die Absicht, es auch noch im Nachleben zu tun.«
»Du meinst, du würdest dich nicht dafür entscheiden, es im Nachleben zu tun. Aber ich bezweifle, daß wir das entscheiden werden.«
In diesem Augenblick ertönte lauter Lärm. Die Kinder hatten am anderen Ende der Halle gespielt, und man hörte das
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