Die Feuer von Troia
auf Pferden auf.
»Sei gegrüßt«, rief eine von ihnen, »ich sehe, du kehrst sicher aus dem Haus des Priamos zurück. Du warst so lange weg, daß wir anfingen, uns Gedanken zu machen. Wie geht es deiner Schwester?«
»Gut, aber sie wird dick, alt und verbraucht vom Kinderkriegen im Haus des Königs«, erwiderte Penthesilea.
»Ist das unser Ziehkind, Hekabes Tochter?« fragte die zweite.
»Das ist sie«, sagte Penthesilea und drehte den Kopf nach Kassandra. »Und wenn sie wirklich die Tochter ihrer Mutter ist, wird sie bei uns mehr als willkommen sein.«
Kassandra lächelte die drei fremden Frauen schüchtern an, von denen eine die Arme ausbreitete, sich herüber beugte und sie umarmte.
»Ich war als Mädchen die beste Freundin deiner Mutter«, sagte sie. Sie ritten weiter auf den schimmernden Skamander zu. Es dämmerte, als die Pferde die Furt erreichten. Kassandra sah das kurze Aufblitzen der letzten Sonnenstrahlen auf den kleinen Wellen und die spitzen Steine im flachen Flußbett, über die das Wasser schnell dahinschoß. Sie hielt den Atem an, als das Pferd über das steile Ufer ins Wasser hinunterstieg und wurde ermahnt, sich festzuhalten. »Wenn du herunterfällst, wird es schwer sein, dich wieder herauszuziehen, ehe dich das Wasser gegen die Steine schlägt.« Kassandra hatte keine große Lust, auf die harten Steine zu fallen, und klammerte sich an ihre Tante. Bald hatte das Pferd das andere Ufer erreicht und stieg die Böschung hinauf. In der kurzen Zeit, in der es noch hell war, galoppierten sie. Dann hielten sie an, bildeten mit den Pferden einen Kreis und saßen ab.
Kassandra war beeindruckt, wie eine der Frauen wortlos ein Feuer entzündete, eine andere aus den Satteltaschen ein Zelt hervorholte, es entfaltete und aufstellte. Bald kochte getrocknetes Fleisch in einem Kessel und roch sehr appetitlich.
Kassandra war so steif, daß sie wie eine alte Frau schwankte, als sie zum Feuer gehen wollte. Charis begann zu lachen, aber Penthesilea warf ihr einen tadelnden Blick zu.
»Mach dich nicht lustig über die Kleine. Sie hat nicht ein einziges Mal gejammert. Und für jemand, der nicht an ein Pferd gewöhnt ist, war es ein langer Ritt. Dir ist es auch nicht besser ergangen, als du zu uns gekommen bist. Gib ihr etwas zu essen. «
Charis schöpfte Suppe aus dem Kessel und reichte sie Kassandra in einer Holzschale.
»Danke«, sagte sie und tauchte den Hornlöffel, den man ihr gegeben hatte, in den Eintopf. »Kann ich bitte ein Stück Brot haben?«
»Wir haben kein Brot«, erwiderte Penthesilea. »Wir bauen kein Getreide an, denn wir ziehen mit unseren Herden herum und leben in Zelten.« Eine der Frauen goß etwas Weißes und Schäumendes in Kassandras Becher, und sie kostete es.
»Es ist Stutenmilch«, erklärte die Frau, die sich als Elaria und Hekabes Freundin vorgestellt hatte. Kassandra trank neugierig und wußte nicht recht, ob sie den Geschmack oder die Vorstellung, Stutenmilch zu trinken, mochte. Aber die anderen Frauen tranken ebenfalls, und so fand Kassandra, es könne ihr nicht schaden. Elaria beobachtete amüsiert den vorsichtigen Ausdruck unterdrückten Widerwillens auf Kassandras Gesicht. Sie sagte: »Trink es, und du wirst so stark und frei werden wie unsere Stuten, und deine Haare werden so seidig wie ihre Mähnen. « Sie strich über Kassandras lange dunkle Haare. »In der Zeit, die du bei uns verbringst, sollst du meine Ziehtochter sein. Du wirst in unserem Lager in meinem Zelt schlafen. Ich habe zwei Töchter, die deine Freundinnen sein werden.«
Kassandra warf einen wehmütigen Blick auf Penthesilea. Aber sie vermutete, eine Königin hätte zuviel zu tun, um sich auch noch um ein kleines Mädchen zu kümmern, selbst wenn es die Tochter ihrer Schwester war, und Elaria wirkte nett und freundlich.
Nach der Mahlzeit saßen die Frauen um das Lagerfeuer. Penthesilea teilte zwei als Wachen ein.
Kassandra flüsterte: »Warum brauchen wir Wachposten? Es ist doch kein Krieg, oder?«
»Nicht in dem Sinn, wie man das Wort in Troia benutzt«, erwiderte Elaria ebenfalls flüsternd. »Aber wir befinden uns noch in einem Land, das von Männern beherrscht wird, und in solchen Gebieten ist für Frauen immer Krieg. Viele, ja die meisten Männer würden uns als ihre rechtmäßige Beute betrachten und unsere Pferde ebenfalls. «
Eine Frau hatte angefangen zu singen. Die anderen stimmten ein. Kassandra hörte zu, denn sie kannte weder die Melodie, noch verstand sie die Worte, aber nach einiger
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