Die Feuer von Troia
Penthesilea. »Du sollt einen Teil haben, wenn du willst.« Sie löste sich aus der Umarmung und sagte: »Dein Honig ist immer zu teuer. Was möchtest du diesmal dafür von uns haben?«
Er richtete sich auf und ritt gutmütig lächelnd neben ihr her. »Du könntest mir einen Gefallen tun«, sagte er. »Einer meiner Männer hat sich vor ein paar Monden in ein Mädchen aus einem Dorf vernarrt und es mitgenommen, ohne sich die Mühe zu machen, den Vater um Erlaubnis zu bitten. Aber sie taugt zu nichts anderem als fürs Bett. Sie kann nicht einmal eine Stute melken oder Käse machen. Sie jammert und heult die ganze Zeit. Und jetzt hat er das Weibstück satt und… «
»Verlange nicht, daß ich sie dir abnehme«, unterbrach ihn Penthesilea. »Sie wäre auch in unseren Zelten nicht von Nutzen.«
»Ich möchte«, sagte der Mann, »daß du sie zu ihrem Vater zurückbringst.« Penthesilea schnaubte empört.
»Und wir sollen uns dem Zorn und den Schwertern ihres Stammes stellen? Kommt nicht in Frage!«
»Leider ist sie schwanger«, sagte der Kentaur. »Kann sie nicht bei euch bleiben, bis das Kind geboren ist? Wie es aussieht, wäre sie unter Frauen wahrscheinlich glücklicher.«
»Wenn sie mit uns kommen will, ohne Schwierigkeiten zu machen, kann sie bei uns bleiben, bis das Kind geboren ist. Und wenn sie eine Tochter bekommt, behalten wir sie beide. Wenn es ein Sohn ist, möchtest du ihn haben?«
»Aber sicher«, erwiderte der Mann, »und was die Frau angeht, so kannst du sie behalten, in ihr Dorf zurückschicken oder meinetwegen auch ertränken, wenn das Kind erst da ist.«
»Ich bin einfach zu gutmütig«, sagte Penthesilea. »Warum sollte ich dir aus dem Schwierigkeiten heraushelfen, die du dir selbst eingebrockt hast?«
»Für ein halbes Fäßchen Honig vielleicht?«
»Für ein halbes Fäßchen Honig«, sagte Elaria, »kümmere ich mich persönlich um die Frau, bringe ihr Kind zur Welt und in ihr Dorf zurück.«
»Wir teilen uns den Honig«, sagte Penthesilea, »aber wenn einer deiner Männer das nächste Mal mit einer Frau zusammensein will, schickst du ihn zu unseren Zelten, und eine von uns wird ihn bestimmt ohne solche Schwierigkeiten zufriedenstellen. Jedesmal wenn einer deiner Männer außerhalb der Zeit eine Frau sucht und in die Dörfer geht, müssen alle Stämme darunter leiden. Dann gibt es neue Geschichten darüber, wie gesetzlos wir alle leben, Männer und Frauen.«
»Tadle mich nicht, Herrin«, sagte der Mann und schlug schnell die Hände vor das Gesicht. »Wir sind alle nur Menschen. Und wer versteckt sich dort hinter deiner Begleiterin?« Er blickte um Elaria herum und zwinkerte Kassandra zu. Mit seinem bärtigen Gesicht und dem verfilzten Haar wirkte er so komisch, daß sie lachen mußte. »Hast du in der Stadt des Priamos ein Kind gestohlen?«
»Nein«, erwiderte Penthesilea. »Es ist die Tochter meiner Schwester. Sie soll ein paar Jahreszeiten bei uns bleiben.«
»Ein hübsches kleines Mädchen«, sagte der Kentaur. »Meine jungen Männer werden bald alle um sie kämpfen.«
Kassandra errötete und verbarg sich wieder hinter Elaria. Zu Hause im Palast gab sogar ihre Mutter offen zu, daß Polyxena die »Hübsche« und Kassandra die »Gescheite« war. Kassandra störte das nicht; aber trotzdem freute sie sich darüber, daß jemand sie hübsch fand. »Also gut«, sagte Penthesilea, »zeig uns den Honig und die Frau, die wir dir abnehmen sollen.«
»Werdet ihr mit uns essen? Wir braten für den Abend ein Zicklein«, sagte der Kentaur, und Penthesilea blickte fragend auf ihre Frauen. »Wir hatten gehofft, heute nacht in unseren eigenen Zelten zu schlafen«, erklärte sie. »Aber das Zicklein riecht verlockend und gut gebraten. Es wäre eine Schande, darauf zu verzichten.« Elaria fügte hinzu: »Warum machen wir hier nicht ein oder zwei Stunden Rast? Morgen ist auch noch ein Tag, wenn wir heute nicht zurückkommen. «
Penthesilea sagte achselzuckend: »Meine Frauen haben für mich gesprochen. Wir nehmen deine Gastfreundschaft mit Freuden an - vielleicht auch aus Lust auf ein gutes Essen.«
Der Kentaur bedeutete ihnen mit einer Geste, ihm zu folgen, und ritt in Richtung des großen Lagerfeuers. Penthesilea nickte ihren Frauen aufmunternd zu. Vor dem Feuer kniete eine junge Frau und drehte den Spieß mit dem Zicklein. Das Fett tropfte in die Flammen, und es roch wunderbar. Die knusprige Haut bruzzelte und bräunte appetitlich. Die Frauen glitten von ihren Pferden, und die Männer folgten ihrem
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