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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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empfinden«, erwiderte Helena. »Sie fürchtet sich. Was wird aus ihr nun werden? Aus ihr und Astyanax. … Paris hat bereits beschlossen, Priamos auf den Thron zu folgen, und für Hektors Sohn ist kein Platz. Wenn es Paris gelingt, den Krieg zu einem guten Ende zu bringen…«
    »Das ist ausgeschlossen«, erwiderte Kassandra. »Aber hab keine Angst, Helena. Menelaos hat all diese Jahre nicht nur gekämpft, um sich zu rächen. «
    »Ich weiß. Ich habe mit ihm gesprochen«, sagte Helena zu Kassandras Überraschung. »Ich verstehe es zwar nicht, aber er will mich zurückhaben.«
    »Du hast mit ihm gesprochen? Wann?« Sie wollte fragen, wie das möglich gewesen war. Dann fiel ihr ein, daß Helena als Gemahlin des Paris überall hingehen konnte, auch in das Lager der Achaier.  Aber warum sollte Helena mit den feindlichen Heerführern verhandeln ? dachte Kassandra mißtrauisch, sprach ihre Freundin innerlich jedoch von jedem Verrat frei. Es war nur vernünftig, daß Helena ihr Schicksal und das ihres Sohnes nicht einfach dem Zufall überließ. Sie sagte: »Wenn du noch einmal mit ihm sprichst, bitte ihn, etwas zu tun, damit Achilleus uns Hektors Leiche zurückgibt.«
    »Glaub mir, ich habe es versucht, und ich werde es wieder versuchen«, versprach Helena. »Der Regen läßt nach, wenn du gehen willst, dann geh jetzt. Vielleicht bist du im Tempel, ehe er wieder heftiger wird.«
    Sie umarmte Kassandra noch einmal und begleitete sie zum großen Palasttor. Kassandra ging in den eiskalten Regen hinaus. Aber noch ehe sie die Mitte der großen Treppe erreicht hatte, setzte der Regen mit erneuter Gewalt ein; der Wind zerrte an ihrem Umhang wie ein wildes Tier.
    Sie bedauerte kurz, daß sie Helenas Angebot, im Palast zu schlafen, nicht angenommen hatte. Aeneas trank mit den Männern und würde wahrscheinlich nicht kommen. Aber sie konnte nicht mehr umkehren. Deshalb kämpfte sie gegen das Unwetter an und stieg zum Tempel hinauf.
    Kurz vor dem Tempeltor hörte sie Schritte hinter sich. Nach so vielen Kriegsjahren machten Fremde sie unruhig. Sie drehte sich um und erkannte im schwachen Licht der Fackeln über dem Tor Chryseis. Kassandra seufzte und überlegte, in welchem. fremden Bett Chryseis den größten Teil der Nacht wohl verbracht hatte, und weshalb sie sich die Mühe machte, in diesem Unwetter zum Tempel zurückzukehren.  Sie sieht wie eine streunende Katze aus - allerdings hätte sich eine Katze geputzt.
    Der Wächter am Tor begrüßte sie staunend (»Ihr seid bei diesem scheußlichen Wetter noch spät unterwegs, Herrinnen«), aber bislang hatte sich noch niemand über Kassandras Kommen und Gehen Gedanken gemacht, und sie wußte, sie hätte so viele Liebhaber wie Chryseis haben können, ohne daß jemand es erfahren oder sich darum gekümmert hätte. Die beiden Frauen gingen über den abschüssigen Hof zu dem Gebäude hinauf, in dem sie schliefen; Kassandra ging etwas langsamer, damit Chryseis sie einholte.
    »Es ist so spät, daß es schon beinahe früh ist«, sagte sie. »Möchtest du dir in meinem Zimmer das Gesicht waschen, damit dich niemand in diesem Zustand sieht?«
    »Nein«, antwortete Chryseis. »Warum? Ich schäme mich nicht.« »Ich möchte deinem Vater einen solchen Anblick ersparen«, sagte Kassandra. »Er könnte ihm das Herz brechen. «
    Chryseis lachte kalt.
    »Nun komm schon, er kann sich doch wohl kaum in der Illusion wiegen, ich hätte Agamemnons Bett als Jungfrau verlassen!«
    »Vielleicht nicht«, entgegnete Kassandra. »Er kann dir nicht vorwerfen, was in Kriegszeiten geschehen ist. Aber wenn er dich in diesem Zustand sieht, muß ihn das bekümmern. «
    »Glaubst du, das macht mir etwas aus? Ich habe mich dort wohl gefühlt, wo ich war, und ich wünschte, er hätte sich um seine Angelegenheiten gekümmert und mich bei Agamemnon gelassen.« 
    »Chryseis«, sagte Kassandra sanft, »ahnst du überhaupt, wie sehr er um dich getrauert hat? Er hat kaum an etwas anderes gedacht.« 
    »Dann ist er ein noch größerer Dummkopf, als ich dachte. «
    »Chryseis … «‚ Kassandra sah die junge Frau an und überlegte sich, was für ein Herz sie habe oder ob sie überhaupt eins habe. Schließlich fragte sie neugierig: »Schämst du dich überhaupt nicht, obwohl jeder in Troia weiß, daß du Agamemnons Konkubine warst?«
    »Nein«, erwiderte Chryseis trotzig, »so wenig wie sich Andromache schämt, von der jeder Troianer weiß, daß sie Hektor gehört, oder Helena, von der alle wissen, daß sie Paris

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