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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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schweigend die Hände wie junge Mädchen.
    Es dauerte nicht lange, bis sich Schritte näherten und Menelaos durch den Zelteingang trat. »Helena?« rief er.
    »Ich bin hier«, antwortete Helena leise. Kassandra blickte in das strahlende Licht, das plötzlich das Zelt zu erfüllen schien. Helenas Haare schimmerten golden, und ein Strahlen umgab sie wie damals auf der Mauer. Die Göttin hatte sie wieder berührt.
    Menelaos kniff die Augen zusammen, als sei er geblendet. Dann verbeugte er sich widerwillig und murmelte: »Meine Herrin und meine Königin.« Er bot ihr den Arm, als fürchte er, sich ihr zu nähern, und sie ging langsam auf ihn zu.
    Menelaos folgte Helena aus dem Zelt, blieb aber ehrfürchtig einen Schritt hinter ihr.
    Draußen wurde es dunkel, als Kassandra schließlich Agamemnon sah, der den Kopf durch den Eingang streckte.
    »Tochter des Priamos«, rief er, »du kommst mit mir. Das Schiff ist zum Auslaufen bereit. «
    Was soll ich tun? Mich unterwerfen? Kämpfen? Es hilft nichts. Es ist mein Schicksal.
    Sie stand auf, und er nahm ihren Arm - nicht derb, aber mit einem gewissen Besitzerstolz. 
    Er lächelte vorsichtig und sagte: »Von all der Beute habe ich nur dich verlangt. Glaub mir, ich werde dich nicht schlecht behandeln, Kassandra. Es ist nicht wenig, die Geliebte eines Königs von Mykenai zu sein. «
    Das glaube ich.
    Ihr kam der Gedanke, daß Priamos sie sehr gut mit diesem Mann hätte verheiraten können, wenn Agamemnon nicht bereits mit Helenas Schwester verheiratet gewesen wäre. Das Leben, das sie erwartete, unterschied sich nicht sehr davon - abgesehen von ein paar förmlichen Riten und dem Segen ihrer Familie. Die Frau eines Achaiers war nicht weniger eine Sklavin als jede Sklavin in Troia. 
    Kassandra zitterte, und er fragte sie fürsorglich: »Frierst du?« Von einem Kleiderberg nahm er einen blauen Mantel, den sie nicht kannte.
    »Hier«, sagte er großzügig und legte den Mantel Kassandra um die Schultern. Er führte sie über den unebenen Boden zum Ufer und hielt ihre Hand, als sie über Planken das Schiff bestieg. Das Deck schwankte. Das Schiff war größer, als es von den Mauern der Stadt gewirkt hatte. Die Ruderer blickten neugierig zu ihr auf, während sie versuchte, beim Gehen nicht über den Mantel zu stolpern. Auf Deck stand ein kleines Zelt, das den Zelten der Achaier im Lager glich. Agamemnon hob die Zeltklappe, und sie trat ein. Im Innern lagen weiche Teppiche, und eine Lampe brannte.
    »Hier wird dich niemand stören. Ich werde dir jetzt deine Dienerinnen schicken«, erklärte er feierlich, »wir laufen mit der Flut zwei Stunden vor Sonnenaufgang aus.« Er ging. Kassandra sank auf die Teppiche und spürte das sanfte Heben und Senken des Schiffs. Sie überlegte, ob sie verstohlen zur anderen Seite laufen und ins Wasser springen könne, damit sie ertrank. Aber nein, sie wurde bestimmt bewacht, und man würde sie daran hindern. Außerdem hatte Penthesilea ihr gesagt, sie werde nicht sterben. Also würde man sie doch wieder nur zurückschicken.
    Kassandra blieb ruhig liegen und versuchte, sich damit abzufinden, daß Agamemnon früher oder später zu ihr kommen würde. Er konnte nicht schlimmer sein als Ajax. Und sie lebte noch. Das würde sie auch überleben.

17
    Endlich mußte sie sich nicht mehr übergeben. Kassandra wankte aus dem Zelt auf das Deck hinaus und in die frische Luft. Den Gedanken an Essen konnte sie immer noch nicht ertragen. Schon bei der Vorstellung würgte es sie. Aber es gelang ihr, sich auf den Knien aufrecht zu halten. Bei dem schwankenden Schiff war es undenkbar zu stehen, ohne sofort wieder würdelos zu fallen. Sie betrachtete neugierig das Ufer und die kleinen felsigen Inseln, an denen sie vorüberfuhren.

    Sie schienen schon eine Ewigkeit auf See zu sein. Am Abend zuvor hatte sie den dünnen, blassen neuen Mond gesehen und sich darüber gefreut, denn sie wußte, er ging im Südwesten auf, und das gab ihr ein Gefühl für die Richtung - nachdem sie inzwischen überhaupt wieder auf die Richtung achten konnte - auf dem weglosen, richtungslosen Meer. Kassandra glaubte, daß die Orientierungslosigkeit zu dem Kranksein beigetragen hatte. Es gab nichts außer einem kranken Körper, in dem sich alles drehte, inmitten eines kreisenden Strudels aus wogenden Wellen und einem schwankenden Deck. Anfangs war ihr so übel gewesen, daß ihr alles gleichgültig war - die Gerüche des Meeres, die Geräusche der Ruderer, Agamemnon, der ihren teilnahmslosen Körper

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