Die Feuer von Troia
keine Angst um deine Mutter. Ich werde gut für sie sorgen. Solange ich lebe, wird sie immer ein Zuhause haben. Ich hätte dich auch mitgenommen, Kassandra. Aber Agamemnon war fest entschlossen, dich für sich zu haben. Also sieht es so aus, als würdest du die Geliebte eines Königs.«
»Wer bekommt Andromache?« fragte Kassandra.
»Sie geht in das Land von Achilleus und wird Eigentum seines Vaters.«
»Es könnte schlimmer sein«, sagte Andromache düster.
Hekabe fragte: »Und Polyxena?«
Odysseus blickte zu Boden. Er antwortete: »Sie begleitet Achilleus.«
»Was soll das heißen?« fragte Hekabe, aber Odysseus wich ihrem Blick aus.
Kassandra hatte es jedoch an seinen Augen gesehen und stieß hervor: »Sie ist tot! Geopfert! Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten und sie wie ein Opfertier für Achilleus verbrannt… «
Odysseus zuckte zusammen. Hekabe fragte ihn: »Ist das wahr?«
Odysseus antwortete: »lch hätte es dir erspart. Achilleus wollte sie heiraten, aber sie hat ihn abgewiesen. Deshalb mußte sie ihm in die Nachwelt folgen.«
Kassandra versuchte, ihre klagende Mutter zu besänftigen. »Du mußt nicht um sie trauern, Mutter. Es geht ihr besser als den meisten von uns, und du wirst bald bei ihr sein.«
Hekabe trocknete sich die Augen.
»Ja, ja, besser als uns allen«, flüsterte sie, »die Nachwelt kann nur besser sein als diese Welt. Ich werde bald bei meinem Herrn und König und dem Vater meiner Söhne sein. Geh voran, Odysseus.« Sie umarmte Kassandra. »Auf Wiedersehen, meine Tochter. Ich hoffe, das wird bald sein.«
»Für mich kann es nicht bald genug sein«, sagte Kassandra, und sie trennten sich. Kassandra legte sich wieder hin und versuchte, den schmerzenden Kopf auf einem Bündel Segeltuch etwas bequemer zu betten. Sie wußte, sie würde ihre Mutter in diesem Leben nicht mehr sehen.
Das Licht wanderte langsam über den Boden. Es mußte bereits Nachmittag sein. War die Stadt erst an diesem Morgen gefallen? Es schien vor Wochen - nein, vor Jahren gewesen zu sein.
Das Licht wurde schon schwächer, als sie die Stimme eines Achaiers hörte, die entschuldigend sagte: »Du mußt nicht da drinnen bei ihnen warten, Herrin.«
Eine schlanke Gestalt kam ins Zelt, und eine vertraute Stimme fragte leise: »Wer ist da?«
»Helena?!« Kassandra setzte sich auf. »Was tust du hier?«
»Ich bin lieber hier als auf dem Schiff von Menelaos, wo mich alle Seeleute anstarren«, erwiderte Helena, »er kommt und holt mich, wenn das Schiff auslaufbereit ist.«
Kassandra legte sich wieder hin. Sie wußte, sie sollte einen gewissen Groll auf diese Frau empfinden, aber Helena hatte nur wie auch sie dem Schicksal gehorcht. Helena starrte entsetzt auf Kassandras blutige Stirn.
»Wie schrecklich!«
»Es ist schon gut. Es ist keine große Wunde«, sagte Kassandra.
»Und du verdienst im Grund das Schlimmste, aber dich haben sie nicht angerührt«, sagte Andromache bitter, »du bist sogar wie eine Königin gekleidet. « Sie blickte auf das frische rostrote Gewand und den Mantel mit den goldenen Spangen und dem kostbaren Gürtel.
Helena lächelte kaum merklich. »Menelaos hat darauf bestanden. Er hat Nikos zu den Soldaten geschickt, da er behauptet, ich sei nicht dazu geeignet, ein Kind zu erziehen.«
»Dein Sohn lebt wenigstens«, murmelte Andromache.
»Aber ich habe ihn verloren«, sagte Helena, »und Menelaos hat geschworen, wenn dieses lebt -« Kassandra erinnerte sich, daß Helena ihnen anvertraut hatte, sie sei wieder schwanger, »wird er es aussetzen. Glaub mir, Andromache, ich würde lieber zu einem Fremden gehen. Selbst wenn die Männer um mich würfeln sollten. Menelaos wird mich mit Sicherheit für den Rest meines Lebens seine Wut spüren lassen. Ich wäre lieber friedlich hier an der Seite von Paris begraben, den ich liebe. «
»Das glaube ich nicht«, sagte Andromache düster, »ich bin sicher, ein neuer Mann, den du mit deiner Schönheit verführen könntest, wäre dir lieber.« Sie drehte Helena den Rücken zu und schwieg. Kassandra streckte Helena die Hand entgegen, die sie ergriff und fest drückte. Sie fragte: »Ob alle Frauen Troias mir die Verantwortung geben…?«
»Ich nicht«, sagte Kassandra.
»Nein, du nicht. Ich habe Freunde in Troia gefunden«, sagte Helena, beugte sich zu Kassandra hinunter und küßte sie. »Wäre ich doch nie hierhergekommen, um euch alle zu vernichten… «
»Das hat Poseidon getan, nicht du«, widersprach Kassandra, und sie hielten sich
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