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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ziehen, wo sie den Ida, ihre Heimat, sieht. Aber das ist jetzt alles nicht wichtig. Komm und hilf, die Braut zu schmücken.«
    Von weit unten drang der Lärm der Männer in der Halle herauf, die tranken und Trinksprüche auf die Hochzeit ausbrachten.
    Man legte Kreusa gerade einen bestickten Schleier über; sie schob ihn wieder zurück und kam herbei; sie begrüßte Andromache mit einer Verneigung, dann küßte sie Kassandra kühl und sagte: »Willkommen, Schwester.«
    Sie war nicht Hekabes Tochter, ihre Mutter war die ranghöchste Nebenfrau von Priamos. Genaugenommen wäre es nach höfischem Zeremoniell an Kassandra gewesen, Kreusa als erste Schwester zu nennen; aber im Augenblick lag ihr nichts daran, auf dem Protokoll zu bestehen. Sie erwiderte Kreusas Umarmung freundlich und sagte: »Mögen die Erdmutter und die Unsterblichen dich segnen, Schwester.«
    »Siehst du Glück für mich, Kassandra? Du bist doch eine Seherin. « 
    »Das werde ich wissen, wenn ich den Bräutigam sehe«, erwiderte Kassandra ausweichend.
    »Ich glaube, wenn du ihn gesehen hast, wirst du mich beneiden«, sagte Kreusa.
    Kassandra lächelte. »Das hoffe ich, Schwester. Mutter hat mir erzählt, wie guter aussieht.«
    »Und er ist auch reich. In seinem Land ist er ein Prinz. Gewiß kann keine Frau glücklicher sein als ich.«
    »Sag so etwas nicht, damit die Unsterblichen nicht eifersüchtig werden«, mahnte Charis. »Denk an das Schicksal der Frau, die behauptete, ihre gesponnenen Fäden seien so fein wie die von Pallas Athene. Athene verwandelte sie in eine Spinne, die immer und ewig ihre Netze spinnen muß, die von den Frauen zerstört werden. «
    »Kommt, kommt«, rief Andromache, sie sollte die Braut in die große Halle hinunter geleiten. »Wir wollen sie schnell fertig ankleiden, sonst sind die Männer alle betrunken, wenn sie kommt. Kassandra, du hast die geschicktesten Finger. Willst du ihr die Blumen ins Haar flechten?«
    Kassandra flocht schnell einen Kranz und legte ihn auf Kreusas hübsche Locken.
    »Sie ist fertig. Führen wir sie hinunter.«
    Andromache nahm Kreusa bei der Hand, die Frauen umringten die Braut, und sie führten sie die große Treppe hinunter. Sie achteten darauf, daß Kreusa nicht stolperte und ihre Ehe mit einem Fehltritt begann - das schlimmste aller Zeichen.
    Sie stimmten den ältesten Hochzeitsgesang an, der sich an die Erdmutter richtete. Kassandra sah sich inmitten von soviel Freude und Fröhlichkeit, als sei es ihre eigene Hochzeit.  Einmal wenigstens, dachte sie, kann ich so sorglos sein wie alle anderen jungen Mädchen.
    Ihr wurde flüchtig bewußt, daß andere nie auf einen solchen Gedanken gekommen wären. Worin bestand der Unterschied zwischen ihnen und ihr? Aber diesmal wußte sie eine Antwort auf diese schmerzliche Frage.  Ich bin eine Priesterin und muß nicht wie die anderen sein. Es genügt, wenn es mir irgendwie gelingt, nicht aufzufallen.  Sie standen auf der Schwelle der Festhalle, als sie hörten, wie Priamos drinnen voll Überraschung einen Gast begrüßte.
    »Odysseus, du alter Gauner«, rief er. »Das gefällt mir. Du weißt genau, wann du kommen mußt, um unseren besten Wein zu trinken: natürlich bei einer Hochzeit. Komm und trink mit, alter Freund!«

    Kassandra hielt Kreusa zurück.
    »Vater soll zuerst seinen Gast begrüßen.«
    Kreusa sagte mißmutig: »Ich wollte diesen alten Seeräuber nicht auf meiner Hochzeit haben!«
    Andromache flüsterte: »Ich habe mein ganzes Leben lang gehört, was für Geschichten er erzählen kann. Er ist weiter über das Meer gefahren als Jason und kann viel von seinen Reisen erzählen. Er hat meine Mutter in Kolchis besucht und ihr einen Perlmuttkamm geschenkt, den ihm eine Meerjungfrau gegeben hat, wie er sagte.« 
    »Vielleicht hat er für dich auch ein Hochzeitsgeschenk«, sagte Kassandra. »Wie auch immer, selbst die Götter müssen Gastfreundschaft gewähren. Jetzt können wir eintreten. «
    Sie stimmte das Lied an die jungfräuliche Göttin an, das bei Hochzeiten immer gesungen wurde, und die anderen fielen ein. Priamos hob den Kopf und bedeutete ihnen, vorzutreten. Kassandra sah einen großen, schlanken und gutaussehenden jungen Mann. Er hatte hellbraune lockige Haare und ein paar hübsche Sommersprossen. Er trug eine prächtige rote Tunika, und deshalb hielt sie ihn für den Bräutigam. Vor dem Thron stand ein kleiner, untersetzter Mann im mittleren Alter mit gekräuselten Haaren, einem roten, von Wind und Wetter gezeichneten Gesicht und

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