Die Feuerbraut
Herren sind unzufrieden. Das Weib muss ihre anderen Narben zeigen. Nur so kann die Macht der drei auf sie wirken!« Santini trat einen Schritt vor, packte Ehrentrauds Hemd und riss es mit einem heftigen Ruck auf. Die junge Frau wollte seine Hände zurückstoßen, doch da hielt Marthe ihr einen Pokal an die Lippen. Ein scharfes Gebräu ergoss sich in ihren Mund, und sie schluckte unwillkürlich. Sofort wurde ihre Zunge taub, und ihr Gaumen schien in Flammen zu stehen.
»Trink!«, herrschte die Schwarze sie an.
Ehrentraud spürte, wie ihr Wille erlahmte, und schluckte den Inhalt des Pokals hinunter, während die Welt sich in einem wirren Tanz zu drehen begann.
»Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten!«, flüsterte sie, doch bevor sie fallen konnte, trat Santini hinter sie, packte sie unter den Achseln und hielt sie fest.
Marthe füllte unterdessen den Pokal erneut und reichte ihn ihrer Mutter. Diese trank hastig und stieß dabei laut auf. Ein Schwall übelriechender Luft schlug Ehrentraud entgegen, und dann veränderte die Hexe sich. Sie wuchs rasend schnell, bekam Augen, die ihr ganzes Gesicht zu bedecken schienen, und schließlich einen riesigen, weit klaffenden Schlund, der sie zu verschlingen drohte.
Während Ehrentrauds Geist in Scherben zersprang und davonwirbelte, blieb ein winziger Teil von ihr zurück und verfolgte panikerfüllt, was mit ihr geschah. Die Schwarze stieß Worte aus, die Ehrentraud nicht verstand, und ihre Krallen zerfetzten ihr Gesicht. Sie fühlte es warm über ihre Wangen laufen und wusste, dass es ihr eigenes Blut war. Allerdings verspürte sie keinen Schmerz, sondern nur ein dumpfes Pochen, das von ihrem Hinterkopf auszugehen schien. Dann begannen ihre Augen trübe zu werden. Sie konnte noch ein Messer über sich erkennen, über das die Schwarze mit dem Wieselschwanz wischte, verspürte einen Druck gegen die verletzte Wange und ein Knirschen, das ihr durch Mark und Bein fuhr. Dann erlosch auch der Rest ihres Bewusstseins wie eine Kerze im Wind.
XII.
Als Ehrentraud erwachte, lag sie auf ihrem Bett. Ihr Gesicht glühte, und zwischen Brust und Oberarmen glaubte sie noch immer Santinis kalte Finger zu spüren. Ihre Brüste schmerzten, und in ihrem Mund machte sich ein Geschmack breit, als hätte sie den Teufel geküsst. Ihr Magen rebellierte, und ihr Mund fülltesich mit Erbrochenem. Verzweifelt versuchte sie sich umzudrehen und es auszuspucken, doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht. Sie geriet in Panik, weil sie glaubte, ersticken zu müssen.
In höchster Not gelang es ihr, sich mit einem Arm abzustemmen und sich um die eigene Achse zu drehen. Sie fiel aus dem Bett und schlug hart auf dem Boden auf. Zu ihrem Glück blieb sie auf dem Bauch liegen und brachte den hochsteigenden Mageninhalt aus dem Mund. Der Anfall schien unendlich lange zu dauern. Niemand kam, um ihr zu helfen, und sie wusste selbst nicht, ob sie noch lebte oder sich bereits in den Vorhöfen der Hölle befand.
Der pochende Schmerz, der von ihren Wangen ausging, ließ sie bedauern, nicht länger bewusstlos geblieben zu sein, und doch war sie froh, nicht in ihrer Ohnmacht von Krämpfen überfallen worden zu sein. Nach einer Weile würgte sie nur noch Luft hoch, ohne dass die Schmerzen in ihrem Leib nachließen. Sie wimmerte, und die Tränen rannen ihr über die Wangen. »Hilfe! Warum hilft mir denn keiner?«, versuchte sie zu schreien, doch sie brachte nur ein Flüstern über die Lippen.
Nach einiger Zeit vermochte sie ihre Gliedmaßen so weit zu bewegen, dass sie sich an der Bettkante hochziehen konnte. Auch verlor sich der rote Nebel vor ihren Augen, so dass sie wieder etwas erkennen konnte. Sie sah und roch, dass sie sich von oben bis unten besudelt hatte. Auch ihr Darm und ihre Blase hatten sich im Augenblick des Sturzes entleert, und sie hatte nicht die Kraft, sich zu säubern. Es graute ihr davor, mit all diesem Schmutz wieder ins Bett zurückzukriechen. Daher wankte sie zu einem Stuhl und ließ sich darauf fallen. Noch immer schien der Boden sich um sie zu drehen, und vor ihren Augen tanzten Feuerräder.
Erst allmählich wurde ihr bewusst, was geschehen war, und sie war entsetzt, wie schlecht es ihr nach dieser Hexenzeremonieging. Doch wenn die Zauberkraft der drei Schwarzkünstler ihr geholfen hatte, wieder jene zu werden, die sie einmal gewesen war, wollte sie diesen Preis gerne zahlen.
Der Wunsch, ihr Gesicht zu sehen, wurde übermächtig. Sie streifte ihr schmutziges Hemd ab, nahm einen Lappen, der
Weitere Kostenlose Bücher