Die Feuerbraut
drängte Ehrentraud in die Kammer zurück.
»Wasch dich! Du siehst schlimm aus«, erklärte sie.
Ehrentraud wies auf die schmutzige Waschschüssel. »Ich habe schon damit begonnen, aber jetzt brauche ich frisches Wasser.«
»Das kann die Magd holen, wenn sie etwas zu trinken bringt. Außerdem muss das Bett überzogen und der Teppich gewaschen werden. Du hast ja alles verdreckt.«
Sie sagt das in einem Ton, als hätte ich es ihr zum Tort getan, fuhr es Ehrentraud durch den Kopf. Zu ihrer Erleichterung kehrte die Magd mit einem irdenen Krug zurück, in dem Bier schwappte. Ehrentraud zog im Allgemeinen Wein vor, doch jetzt trank sie die bittere Flüssigkeit, als sei sie am Verdursten. Sie stieß sofort wieder auf, musste sich aber nicht mehr übergeben. Sie fühlte sich so benommen, als hätte sie die Nacht durchgezecht.Wie durch dichte Watte nahm sie wahr, wie Johanna die Magd aufforderte, den Flickenteppich wegzubringen und frisches Waschwasser und Decken zu holen. Erst als Johanna begann, sie wie ein kleines Kind zu waschen, kam sie ein wenig zu sich.
Ein Dritter hätte Johannas Tun für die Geste einer Samariterin halten müssen, doch das Mädchen schrubbte Ehrentraud so, als wolle es die Verletzte jede Wunde doppelt und dreifach spüren lassen. Ehrentraud fehlte die Kraft, sich zu wehren, und sie weinte nur still vor sich hin und betete, dass die andere bald gehen würde.
Johanna dachte jedoch nicht daran, so schnell aufzuhören, sondern rieb mit dem rauhen Tuch über Ehrentrauds Brüste, als wolle sie die Wunden wegscheuern, und der Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie es genoss, Ehrentraud zu quälen.
»Die Schwarze Hexe sagt, der Zauber sei misslungen, weil die drei Dämonen, die ihr im Allgemeinen beistehen, zu schwach für dieses große Werk gewesen seien. Sie muss ihren ganz großen Herrn anrufen, doch dazu sind noch etliche Vorbereitungen nötig.«
Ehrentraud schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein! Nein! Nein! Das halte ich kein weiteres Mal mehr aus.«
Johanna berührte mit ihren Fingerspitzen das rohe Fleisch auf Ehrentrauds Wange. »Du hast es doch auch jetzt überstanden. Beim nächsten Mal wird es dir gewiss leichter fallen. Oder willst du etwa weiterhin so herumlaufen? Selbst ein so geiler Bock wie Fabian wird dich bei diesem Anblick meiden wie die Pest.«
Ein Peitschenhieb wäre gnädiger gewesen als diese verächtlichen Worte. Ehrentraud versuchte, Johanna durch den Schleier aus Tränen zu erkennen. »Diese Hexen sind entsetzlich, und die Geister, die sie rufen, machen mir Angst.«
»Wenn du meinst!« Johanna zuckte mit den Schultern und legte den Lappen weg. »Nun kannst du dich anziehen. So, wie du jetzt aussiehst, fasse ich dich nicht mehr an.«
»Dann wäre ich dir dankbar, wenn du mich allein lassen könntest«, antwortete Ehrentraud bitter.
Während Johanna mit einem verächtlichen Lächeln auf den Lippen davonging, zog Ehrentraud das Hemd an, das die Magd ihr bereitgelegt hatte, und setzte sich erschöpft auf die Bettkante. Das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Wie lange sie so dagesessen hatte, wusste sie nicht mehr zu sagen. Die Abenddämmerung zog bereits herauf, als eine Magd hereinkam, um die Öllampe mit einem Span anzuzünden. Das Mädchen mied es, Ehrentraud anzusehen, und eilte so rasch wieder hinaus, als wäre der Gottseibeiuns hinter ihr her.
Ehrentraud spürte, dass etwas Warmes über ihr Gesicht rann, und blickte in ihren Spiegel. Die tiefe Wunde auf ihrer Wange war bei ihrer letzten Kopfbewegung aufgeplatzt, und sie nahm schnell ein Tuch, um das Blut aufzufangen, bevor es den Hals hinabrinnen und den Kragen ihres Hemdes tränken konnte. Dann stellte sie fest, dass die von Johannas grober Behandlung aufgerissenen Wunden bereits rote Flecken hinterlassen hatten. Sie hätte mich wenigstens verbinden können, dachte Ehrentraud und starrte eine Weile ihren eigenen flackernden Schatten wie den einer Fremden an. Sie wollte schon die Magd rufen, damit sie Verbandszeug bekam und noch einmal ein frisches Hemd, doch dann erinnerte sie sich an die entsetzten Blicke der Dienerinnen und schüttelte sich. An diesem Abend wollte sie niemand mehr sehen. Gebeugt wie eine alte Frau stand sie auf, trat an die kleine Truhe und holte das Buch heraus, dem sie ihre geheimsten Gedanken anvertraute. Mit zittriger Schrift hielt sie den Verlauf der Beschwörung fest, soweit sie sich daran erinnern konnte, und drückte dabei ihr Grauen vor den
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