Die Feuerbraut
war vielleicht ein Jahr alt und so gesund, wie eine Mutter es sich nur wünschen konnte. Für kurze Zeit überkamen sie zärtliche Gefühle, und sie wiegte das unruhig gewordene Kleine, bis es wieder tief schlief. Dann aber spottete sie über sich selbst. Das Kind war nur ein Werkzeug, ein Mittel für einen bestimmten Zweck, und sonst gar nichts.
Marthe sah noch, wie ihr Gefährte den toten Holzhacker vom Bett zog und sich auf die erwachende Frau stürzte, dann eilte sie davon, so schnell es das wechselnde Mondlicht erlaubte.
XV.
Johanna trat in Ehrentrauds Zimmer und starrte mitleidlos auf die junge Frau herab, die wie tot auf ihrem Bett lag. Nur das leichte Heben und Senken der Brust verriet, dass noch Leben in ihr war. Die Wunde auf ihrer Wange hatte sich inzwischen stark entzündet, und durch das Loch in dem fauligen Fleisch konnte man die Zähne der Schläferin sehen. Johanna wandte sich angeekeltab und fragte sich, wie sie jemals Faszination für dieses Zerrbild von einem Menschen hatte empfinden können. Dabei war ihr klar, dass sie es hauptsächlich getan hatte, um in der Nichte des Priors eine willige Verbündete gegen Irmela zu finden. Dafür aber benötigte sie das Narbengesicht nun nicht mehr, denn Irmela würde den Worten der Schwarzen Hexe zufolge in der Ferne zugrunde gehen.
Jetzt war sie die Herrin, und sie beschloss, dies sich auch von Helene nicht streitig machen zu lassen, mochte diese auch noch so toben. Sie würde ihr jeden Knuff und jede Ohrfeige mit Zins und Zinseszinsen heimzahlen. Vorher aber galt es, die Sache mit Ehrentraud zu Ende zu bringen. Johanna trat auf die Schlafende zu und stieß sie rüde an.
»Aufstehen, es ist so weit!«
Ehrentraud versuchte die Augen zu öffnen, doch es fiel ihr schwer. Ihre Gedanken schienen sich in dichtem Nebel zu verlieren, und sie erkannte im ersten Augenblick nicht, wer vor ihr stand. Seit Tagen fühlte sie sich von einer fiebrigen Müdigkeit umfangen und hatte in der Zeit weder ihre Kammer verlassen noch viel essen können. Sie verspürte jedoch keinen Hunger, sondern nur einen nie endenden Durst, einen dumpfen Schmerz in der Magengrube und ein Klopfen und Pochen im Gesicht, das sie bis in ihre Alpträume verfolgte. Irgendetwas war mit ihr geschehen, doch sie wusste nicht zu sagen, was es war.
Langsam wurde ihr Kopf klarer, und sie starrte ihre Truhe an. Trotz ihrer Schwäche hatte sie auch in den letzten Tagen hie und da ein paar kurze Sätze in ihr Buch schreiben können, war aber dann wieder in den Zustand zwischen Dahindämmern und unruhigem Schlaf verfallen, in dem dunkle Schatten sie auf eine Knochengestalt zutrieben, die in einen weiten, grauen Mantel gehüllt und mit einer Sense in der Hand auf sie wartete. Auch jetzt hatte dieses Gespenst zusammen mit Johanna den Raum betretenund stand hinter ihrer früheren Freundin. Aber wenn sie schon sterben musste, wollte sie nicht, dass jemand aus diesem Haus in ihrer Truhe wühlte und ihr geheimes Tagebuch fand. Das ging niemand etwas an, auch ihren Onkel nicht. Nur einer sollte es lesen und begreifen, wie sehr sie ihn geliebt hatte.
»Fabian!«
»Was ist mit dem?«, fragte Johanna verwundert.
»Meine Truhe! Ich will, dass Fabian sie bekommt, wenn mir etwas geschehen sollte.«
»Dir passiert schon nichts!« Johanna dauerte das Ganze zu lange, und sie fasste Ehrentraud unter. Als sie diese zur Tür hinausführte, kam ihnen Doktor Portius entgegen. Ehrentraud kniff die Augen zusammen, um ihn überhaupt erkennen zu können, und stemmte sich dann gegen Johannas Zerren. »Doktor, wollt Ihr mir einen Gefallen tun?«
Portius nickte. Sagen konnte er nichts, so sehr erschütterte ihn der Anblick der jungen Frau. Er hatte Ehrentraud zwar niemals in ihrer früheren Schönheit gesehen, doch selbst mit ihren Narben war sie ihm ansehnlicher erschienen als nach der Behandlung durch das Hexenvolk. Innerlich krümmte er sich vor Scham, denn er hatte ihr eingeredet, sein Mittel würde den Erfolg von Lohners Operation verstärken, weil er seinem Konkurrenten nicht den Ruhm hatte überlassen wollen. Am liebsten wäre er vor Ehrentraud auf die Knie gefallen und hätte sie angefleht, ihm zu verzeihen.
Im Grunde war er schuld, dass Ehrentraud sich nun in der Gewalt der Hexen befand, und es war, als sei er selbst in den Vorraum der Hölle geraten. Weder Helene von Hochberg noch das Gesindel, das diese ins Haus geholt hatte, waren an seinen Fähigkeiten interessiert. Man hatte ihn ignoriert, von allem ausgeschlossen
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