Die Feuerbraut
wenigen Augenblicken, in denen sie aus diesen Alpträumen aufschreckte, wünschte sie sich nur noch zu sterben.
»Gleich sind wir da!« Die selbstzufriedene Stimme des Priors drang nicht bis zu Irmela durch. Sie bemerkte auch nicht, wie die Kutsche anhielt und ein Büttel herbeieilte, um den Schlag zu öffnen.
Lexenthal stieg nach einem letzten Blick auf seine bewusstlos wirkende Gefangene aus und wandte sein Augenmerk dem düsteren Gebäude zu, vor dem er hatte anhalten lassen. Die Fenster waren klein wie Schießscharten und zudem durch Gitterkreuze gesichert, durch die höchstens eine Ratte kriechen konnte. Fenster gab es keine, nur hölzerne Läden, die bei Sturm oder bitterer Kälte geschlossen werden konnten. Eine mit Eisenblech beschlagene Tür stellte den einzigen Zugang in diesen Kerker dar, dessen sichtbarer Teil bereits wie ein Vorhof der Hölle wirkte. Das, was sich unter der Erde befand, ließ selbst diejenigen, die von Amts wegen hinabsteigen mussten, innerlich erschauern. Lexenthal war bislang nur ein Mal dort unten gewesen und hatte beinahe die armen Sünder bedauert, die dort eingesperrt waren. Nun aber schien ihm dieses Gefängnis noch zu gut für die Hexe, die eben von den beiden Klostermägden aus dem Wagen gezogen wurde. Die Frauen blickten den Prior so widerwillig an, als hätten sie wenig Lust, die Gefangene weiterzuschleppen.
Lexenthal hob gebieterisch die Hand. »Legt sie auf den Boden. Von nun an wird der Kerkermeister von Passau sich um sie kümmern.«
Die Mägde atmeten auf. Es war nicht einfach gewesen, den Willen des Priors zu befolgen und dabei die Hexe nicht verenden zu lassen. Nun waren sie dieser Verantwortung ledig. Eine von ihnen knickste vor Lexenthal und sah ihm ins Gesicht. »Wie kommen wir jetzt wieder nach Hause, hochwürdigster Herr?«
»Ich werde dafür sorgen, dass man euch in eure Heimat zurückbringt. Bis dorthin könnt ihr euch in einem der Frauenklöster dieser Stadt nützlich machen!« Noch während er es sagte, hatte er die Mägde wieder vergessen.
Die beiden Frauen rümpften die Nase, denn sie hatten gehofft, für ihre Mühen in Passau als Gäste behandelt und nicht als Dienstboten zu anderen Klosterschwestern geschickt zu werden. Wohin das führte, konnten sie sich lebhaft vorstellen. Man würde sie einfach hierbehalten, so dass sie sich ihren Platz und ihren Rang im Gesinde des Klosters, dem sie zugeteilt wurden, erst wieder erarbeiten mussten. Doch Klagen half nichts, das wussten sie, und daher folgten sie dem Sekretär des Priors, der ihnen befahl, mit ihm zu kommen.
Lexenthal wies unterdessen einen der ihn begleitenden Soldaten an, an die Kerkertür zu klopfen. Der Mann hatte die Tür jedoch noch nicht erreicht, als diese geöffnet wurde und der Kerkermeister und zwei Knechte heraustraten. Die hochgewachsene, wuchtige Gestalt des Mannes, der auch als Foltermeister sein Brot verdiente, war geeignet, jedem Delinquenten Furcht einzuflößen. Er sah aus, als benötigte er all die Daumenschrauben und Zwickzangen nicht, mit denen hartnäckige Leugner dazu gebracht wurden, die Wahrheit zu bekennen. Ein einziger fester Griff seiner Hand reichte aus, einem normal gewachsenen Menschen die Knochen zu brechen. DiesemMann traute Lexenthal als Einzigem zu, seine Gefangene nicht entkommen zu lassen.
»Ist alles bereit?«, fragte der Prior.
Der Kerkermeister nickte und beäugte die am Boden liegende Irmela mit seinen seltsam klein wirkenden Augen. »Es ist alles so, wie Ihr es befohlen habt, Euer Exzellenz.«
»Dann bring die Hexe hinein!«
Der Kerkermeister befahl seinen Knechten, die Irmela aufheben wollten, zurückzubleiben. »Kümmert euch um die übrigen Gefangenen. Dieses spezielle Vögelchen ist allein meine Sorge. Kein anderer darf die Hexe ansehen und erst recht nicht berühren!«
Die beiden Männer verschwanden schnell, als wären sie erleichtert, die Gefangene nicht anfassen zu müssen. Der Kerkermeister trat nun neben Irmela, bückte sich und zog sie mit einer solchen Leichtigkeit hoch, als wöge sie nicht mehr als ein Bündel Lumpen. Wie ein Jäger seine Beute trug er sie durch das Tor und nahm ihr dort mit einem Grinsen die Augenbinde ab. Lexenthal wollte noch eine abwehrende Handbewegung machen, schlug dann aber das Kreuz und murmelte einen Spruch gegen Hexenflüche.
Zunächst ging es eine steil nach unten führende Treppe hinab. Während der Kerkermeister sich auf den schlüpfrigen Stufen so leichtfüßig bewegte, als befände er sich auf ebenem
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