Die Feuerbraut
Nachricht erreicht hatte, denn er erschien bereits am nächsten Tag. Als der Wirtsknecht ihn in die Kammer führte, die Fabian mit Gibichen und Abdur teilte, wirkte Lohners Kollege wie ein Mann, der eine Keule über sich schweben sieht, die jeden Augenblick auf ihn herunterfahren kann. Er blieb auf der Schwelle stehen und starrte Fabian so durchdringend an, als müsse er sich versichern, den richtigen Mann gefunden zu haben. Dabei schob er einen fast armlangen Gegenstand, den er in ein schmutziges Tuch gehüllt hatte, wie einen Schild vor sich her.
»Der Jungfrau im Himmel sei Dank! Ihr seid es wirklich, Birkenfels. Beinahe hatte ich schon angenommen, mein Freund Lohner hätte sich geirrt, weil ich Euch nur als Jüngling im Gedächtnis habe.« Portius trat ein, setzte seine Last ab und schlug vor Erleichterung das Kreuz. Dann verbeugte er sich linkisch.
»Endlich vermag ich das Vermächtnis zu erfüllen, das mir das unglücklichste Wesen auf dieser Welt übertragen hat.« In dem Augenblick stand Ehrentrauds schreckliches Ende wieder vor seinem inneren Auge, und ihm rannen Tränen über das Gesicht. Mit einem Aufschluchzen bat er Fabian, ihm seine Erschütterung zu verzeihen.
Dieser runzelte die Stirn. »Rede Er so, dass ich Ihn verstehe. Wem hat Er etwas versprochen, und was hat das mit mir zu tun?«
»Ich komme von Jungfer Ehrentraud von Lexenthal. Sie muss geahnt haben, dass sie sterben würde, und bat mich, im Fall ihres Ablebens Euch diese Truhe zu überbringen.« Portius begann erneut zu weinen und reizte Fabians angespannte Nerven bis zum Äußersten. Bevor er etwas sagen konnte, legte Gibichen ihm den Arm um die Schulter.
»Lass den Mann reden, wie er will. Immerhin geht es um jene Frau, die ihr Onkel rächen will.«
»Wenn der Prior Fräulein Ehrentraud wirklich rächen wollte, hätte er das Otternnest ausräuchern müssen, in dem sie umgekommen ist. Doch er lebt in Freundschaft mit jenen, die an ihrem Tod schuld sind, und unterstützt sie in jeder Weise!« Die Erregung hatte Portius dazu gebracht, mehr zu sagen, als er eigentlich gewollt hatte, und nun wand er sich wie ein getretener Wurm.
»Wer hat Ehrentraud etwas angetan?« Fabian sah aus, als wolle er über den kleinen, stark abgemagerten Mann herfallen und die Wahrheit aus ihm herausprügeln.
Wieder hielt Gibichen ihn zurück. »Sieh dir doch erst einmal die Truhe an. Vielleicht lüftet sie das Geheimnis.«
Portius atmete auf und versuchte sich unauffällig auf die Tür zuzuschieben, doch Abdur vertrat ihm auf Gibichens Wink hin den Weg.
»Er mag verzeihen, doch wir würden Ihn gerne noch ein wenig als Gast behalten. Ruf Fanny, Abdur. Sie soll dem Herrn Doktor Portius einen Krug Wein bringen und dazu Brot und Braten. Nach seinem langen Marsch dürfte er hungrig sein.«
Portius wurde klar, das Gibichen zwar weniger impulsiv reagierte als Fabian, aber auf seine Art durchsetzungsfähiger und wohl auch härter war. Daher setzte er sich zitternd auf den Stuhl, zu dem Abdur ihn schob.
»Doktor und Arzt, das war ich einmal. Jetzt vermag ich nichteinmal mehr einen Becher ruhig zu halten.« Er hob die Hände, und man konnte sehen, dass seine Finger wie Espenlaub zitterten.
Gibichen zuckte mit den Achseln und sah Fabian auffordernd an. »Mach die Truhe auf!«
Fabian riss den Schlüssel von der Schnur, an der er befestigt war, schloss auf und hob den Deckel. Verwirrt nahm er einen in Silber gefassten Spiegel, einen Perlmuttkamm und ein paar andere, der weiblichen Schönheitspflege dienende Gegenstände heraus. In einem abgetrennten Fach entdeckte er schließlich Schreibfedern, Sand zum Trocknen und ein silbernes Tintenfass.
Fabian schüttelte den Kopf. »Kannst du mir sagen, was das zu bedeuten hat?«
Sein Freund zuckte mit den Achseln. »Vielleicht handelt es sich um ein Liebespfand, dass die Jungfer dir hat zukommen lassen wollen.«
Fanny stülpte die Lippen vor, und Portius nickte nachdenklich. Der Arzt musste an jenen Winter in den Waldbergen denken, in dem Fabian jeder Frau in dem Gutshof mehr oder weniger den Hof gemacht und so ausgesehen hatte, als wolle er mit allen unter die Decken schlüpfen, mit Ausnahme der Stiefenkelin der Hausherrin. Der Fabian, der jetzt vor ihm stand, hatte mit dem leichtfertigen, von sich eingenommenen Jüngling nicht mehr viel gemein, sondern wirkte über seine Jahre hinaus reif und ernst.
»Ich weiß leider nicht, was es mit diesem Geschenk auf sich hat. Das Fräulein hat es mir an dem Tag übergeben, an dem
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