Die Feuerbraut
Tuch gehüllten Gegenstand bei sich trug, erkannte er den Arzt nicht wieder, den er zweimal zu seiner Nichte geschickt hatte. Portius war stark gealtert, und der Ausdruck übertriebenen Selbstbewusstseins war längst aus seinem Gesicht gewichen.
Mit einer heftigen Bewegung wandte der Prior sich seinen Besuchern zu. »Ihr bringt Beweise gegen die Hexe Irmela von Hochberg?«
Allein der Klang seiner Stimme beweist, dass er Irmela längst verurteilt hat, fuhr es Gibichen durch den Kopf, und er beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Mit einer heftigen Handbewegung winkte er Portius zu sich und wies auf die noch verhüllte Truhe.
»Halten zu Gnaden, ehrwürdiger Herr, doch wir bringen Euch etwas, das Eurer Nichte gehört hat und das das Geheimnis ihres frühen Todes aufklärt.«
Auf sein Handzeichen wickelte Portius die Truhe aus und stellte sie vor den Stuhl, auf dem Lexenthal saß. Der Prior schüttelte zunächst den Kopf, erkannte dann aber das Geschenk, das er seiner Nichte gemacht hatte, und blickte seine Besucher strafend an.
»Wie kommt diese Truhe in Euren Besitz?«
»Es war der Wille Fräulein Ehrentrauds, dass diese Truhe nach ihrem Tod in die Hände des Herrn von Birkenfels gelangen soll.«
Portius’ Worte weckten eine Erinnerung, und Lexenthal musterte den früheren Arzt scharf. »Ihn kenne ich doch von irgendwoher.«
Portius warf sich vor ihm zu Boden und umklammerte seine Füße. »Ihr seht den elendsten aller Menschen vor Euch, Euer Herrlichkeit! Ich habe so viele Monate an meiner Last getragen, und nun vermag ich sie nicht mehr zu bewältigen.«
Der Prior machte eine Bewegung, als wolle er den Mann wegstoßen. »Wenn Er sein Gewissen erleichtern will, dann suche Er einen Priester auf und stehle mir nicht die Zeit.«
Gibichen merkte, dass Lexenthal kurz davor war, sie aus dem Raum weisen zu lassen. Rasch öffnete er die Truhe, so dass der Prior das erbrochene Geheimfach sehen konnte und das Buch, das darin steckte. »Wenn Euer Herrlichkeit die Güte hätten, die Aufzeichnungen Eurer Nichte Ehrentraud von Lexenthal zu lesen.«
»Bei Gelegenheit werde ich es tun«, antwortete der Prior abweisend.
»Um Jesu willen, tut es jetzt!« Gibichen riss das Buch aus der Truhe und streckte es Lexenthal hin. Sein Verhalten war ungehörig und hätte ihm zu jeder anderen Zeit einen heftigen Tadel eingetragen. Der Prior begriff jedoch, dass es mit dem Buch etwas Besonderes auf sich haben musste, und schlug es auf.
Zu Beginn bestand der Text nur aus verzweifelten, aber sehr wirren Anklagen gegen das Schicksal, welches Ehrentraud erlitten hatte, und daher wollte Lexenthal das Buch schon beiseite legen. Da fiel sein Blick auf die Stelle, in der beschrieben stand, was Ehrentraud des Nachts mit Johanna getrieben hatte.
Die Miene des Priors verhärtete sich beim Lesen, und als ihm klar wurde, dass die Initiative dazu von Helenes Tochter ausgegangen war, spie er in Gedanken aus. Auch Irmelas junge Tante musste ein Geschöpf des Teufels sein. Ohne dass er es gewahr wurde, versenkte er sich in Ehrentrauds Aufzeichnungen und schüttelte mehrmals tadelnd den Kopf. Er vermochte kaum zu glauben, was er da lesen musste. Als er an die Stelle kam, in der beschrieben stand, wie Helene seiner Nichte die Leibesfrucht abgetrieben hatte, schlug er vor Schreck das Kreuz. Dies war eine Sünde, die nur eine Strafe kannte, nämlich die tiefsten Klüfte der Hölle.
Lexenthal rettete sich in den Gedanken, dass all dies nur die Schuld der Hexe Helene sein konnte und seine Nichte deren hilfloses Opfer gewesen war. Dennoch spürte er einen Stein an seinem Herzen, der ihn schier in den Boden drückte. Auch sonst war der Text im höchsten Maße unzüchtig und zeigte, wie sehr sich die Gedanken und Gefühle seiner Nichte verirrt hatten. Wäre ihm dies zu ihren Lebzeiten in die Hände geraten, so hätte er sie ungeachtet ihrer Verwandtschaft zu Klosterhaft und schwerster Buße verurteilt. Nun aber bangte er um ihre unsterbliche Seele und bat Gott, dem armen Mädchen gnädig zu sein.
Als die Rede auf Birkenfels kam, blickte er diesen giftig an. Doch dessen Miene zeigte Scham und aufrichtige Reue. Zu seinem Glück hatte Ehrentraud keinen Hehl daraus gemacht, auf welche Weise sie den jungen Mann verführt hatte, und daher wog Fabians Schuld in seinen Augen geringer als die seiner Nichte.
Diese Gedanken waren wie weggewischt, als er die Stelle erreichte, an der Ehrentraud bedauerte, nicht Irmelas Freundschaft gesucht, sondern diese auf
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