Die Feuerbraut
Helenes und vor allem Johannas Betreiben schlecht behandelt zu haben. Lexenthal kniff die Augen zusammen und las die Stelle noch einmal durch. War seine Nichte noch bei Verstand gewesen? Oder hatte die Hexe ihr Netz damals bereits so eng ausgeworfen, dass Ehrentraud sich darin verfangen hatte? Noch während er darüber nachsann, wanderten seine Augen über die letzten Eintragungen, und ihm wurde übel. Zuerst wollte er nicht glauben, was dort stand. Ausgerechnet Helene von Hochberg hatte seine Nichte purer Hexerei ausgesetzt!
Von der Schwarzen Hexe und Santini hatte er bereits gehört. Diesen Teufelsdienern war es bislang mit Hilfe ihres höllischen Herrn gelungen, sich dem Zugriff des Gesetzes und der heiligen Kirche zu entziehen. Wie verderbt diese Leute wirklich waren, konnte er nicht nur den geschriebenen Worten seiner Nichteentnehmen, sondern auch dem Gestammel des Arztes, der auf seinen fragenden Blick hin wieder in die Knie brach und zu reden begann.
»Haben diese Teufel wirklich ein Kind geschlachtet?«, fragte er nach.
Portius nickte heftig. »Das habe ich mit eigenen Augen gesehen! Euer Herrlichkeit, ich bekenne mich schuldig, sie nicht daran gehindert zu haben, und ich bereue von ganzem Herzen, dass es mir nicht gelungen ist, das Leben Eurer Nichte zu erhalten.«
Lexenthal kniff die Lippen zusammen. »Es ist besser für Ehrentraud, tot zu sein, als mit dieser Schuld zu leben. So mag unser Herr Jesus Christus sich ihrer annehmen und sie in sein Himmelreich geleiten.« Sein Blick fiel mit einem Ausdruck, der sowohl Verachtung wie auch widerwillige Anerkennung beinhalten mochte, auf Fabian.
»Meine Nichte schreibt, dass Ihr fleischlich mit ihr verkehrt habt. Entspricht dies der Wahrheit?«
Fabian senkte den Kopf. »Es stimmt, ehrwürdiger Vater. Ich habe gesündigt.«
»Und Ehrentraud mit Euch. Sie schreibt jedoch in sehr schwärmerischen Worten von Euch und scheint eine Ehe mit Euch als ihr größtes Glück angesehen zu haben. Wie steht Ihr dazu? Hättet Ihr sie wirklich geheiratet, so wie sie aussah?«
Die Frage traf Fabian unvorbereitet, und er wusste im ersten Augenblick nicht, was er darauf antworten sollte. Er las jedoch die Sehnsucht in Lexenthals Augen, etwas Gutes zu hören, und bejahte seine Frage nachdrücklich. »Wenn es anders gekommen wäre, hätte ich sie zum Weib genommen.«
Er hatte den Prior damit eigentlich nur besänftigen wollen. Doch noch während er diese Worte formulierte, begriff er, dass sie keine Lüge beinhalteten. Hätte er Stephanie nicht kennengelernt und sich in Folge nicht mit Irmela verlobt, wären Ehrentraudsleidenschaftliche Hingabe und ihr Bestreben, ihm zu gefallen, ein Grund für ihn gewesen, den Bund der Ehe mit ihr einzugehen. Er hätte sie gewiss so weit bringen können, sich noch einmal Doktor Lohner anzuvertrauen, und was dieser Arzt zu leisten vermochte, konnte er an Fannys Wange sehen und an Gibichens Hand, die bereits zu verheilen begann.
»Ja, ich hätte sie geheiratet«, wiederholte er und sah, wie Lexenthal aufatmete.
»Da Ihr dies bekennt, wird Gott sie wohl nicht zu sehr als Sünderin bestrafen. Doch ich fühle, dass Ihr noch mehr wisst.«
Fabian schob Portius nach vorne. Der kleine Arzt schluckte und berichtete dann dem Prior zwar mit schwankender Stimme, aber in allen ihm bekannten Einzelheiten, wie dessen Nichte hatte leiden müssen und gestorben war.
Lexenthal hörte ihm zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Sein Gesicht wirkte starr, und über seine Wangen rannen Tränen, die im Licht der durch das Fenster scheinenden Sonne wie kleine Perlen glänzten.
Als Portius geendet hatte und sich noch einmal verzweifelt dafür entschuldigte, weil er Ehrentraud nicht hatte retten können, legte Lexenthal ihm sanft die Hand auf die Schulter.
»Gegen Hexenkraft kämpfen Menschen zumeist vergebens. Es war nicht deine Schuld, dass es so gekommen ist.« Sondern die meine, setzte der Prior in Gedanken hinzu.
Er hatte seine Nichte Helene von Hochberg ausgeliefert und damit ihr Schicksal besiegelt. Seine Hände zitterten, als er an die Art und Weise dachte, wie Ehrentraud geendet war. Noch im Sterben war sie bei einer pervertierten Verhöhnung der heiligen Messe geschändet worden, und Helene von Hochberg hatte dies nicht nur zugelassen, sondern sogar noch gefördert.
»Sie werden dafür bezahlen, sie alle!« Die Stimme des Priors hatte nichts Menschliches an sich.
Gibichen fand es an der Zeit einzugreifen. »Verzeiht, ehrwürdiger Vater, wenn
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