Die Feuerbraut
Mädchen war gut geraten, nur fehlte ihr das ausgeprägte Selbstbewusstsein, welches sie selbst im gleichen Alter ausgezeichnet hatte, und auch das Geschick, den günstigsten Augenblick zu erkennen. Das störte sie jedoch wenig. Für sie war Johanna eine Ware auf dem Heiratsmarkt, mit der sie zu wuchern gedachte. Der Krieg würde ihr dabei helfen, denn er wirbelte die Welt durcheinander und gab entschlossenen Menschen wie ihr die Gelegenheit, sich in die höchsten Kreise aufzuschwingen.
Nur allzu gut erinnerte Helene sich an Wallenstein, der in ihrer Jugend ein einfacher Adeliger mit dem Namen Waldstein gewesen war. Der Mann hatte sein Glück am Schopf gefasst und war als Herzog von Friedland und derzeitiger Gubernator von Böhmen mächtiger als Kaiser Ferdinand selbst. Als Frau hatte sie zwar nicht die Möglichkeiten, die einem Kavalier wie ihm offenstanden, doch Helene war fest entschlossen, an ihrem gesellschaftlichenAufstieg zu arbeiten und es besser zu machen als nach ihrer Heirat mit dem alten Grafen Hochberg.
Ein Klopfen an der Tür beendete Helenes Gedankengänge, und sie eilte hin, um zu öffnen. Eigentlich wäre das Monis Aufgabe oder die einer der Hausmägde gewesen, doch sie wollte als Erste wissen, wer da kam, um gleich neue Fäden ziehen zu können.
Der Eintretende trug eine Kutte und brachte Helene damit aus der Fassung. Bisher hatten Geistliche und Ordensmänner nicht zu jenen Kreisen gezählt, in denen sie während der letzten Jahre verkehrt hatte. Sie lächelte jedoch freundlich und hieß den Mann willkommen.
»Mein Name ist Xaver von Lexenthal. Ich habe gehört, dass meine Nichte hier sein soll!« Der Prior versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen, obwohl ihn das Gewissen drückte. Bei seiner Flucht aus Neuburg hatte er zwar den ihm anvertrauten Klosterschatz retten können, seine Nichte in der Eile des Aufbruchs jedoch völlig vergessen. Unterwegs hatte er sich an die Hoffnung geklammert, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm würde ihr wie versprochen eine Reisemöglichkeit bieten. Als er dann vernommen hatte, dass sie ebenfalls in Passau weilte, sah er seine Gebete erhört. Trotzdem glomm der Gedanke in ihm auf, für seine Nichte wäre es vielleicht besser gewesen, wenn sie die Flucht nicht überlebt hätte. In diesem Fall hätte er Messen für ihre Seele lesen lassen und sich damit trösten können, dass die Jungfrau Maria das Mädchen, das so viel von den Ketzern hatte erleiden müssen, gewiss sofort ins Paradies aufgenommen hätte.
Nun aber musste er seiner Verantwortung für sie gerecht werden und dafür sorgen, dass sie gut untergebracht und medizinisch versorgt wurde. In seine Gedanken verstrickt, sah er Helene nicht genauer an, sondern ging an ihr vorbei, ohne ihr mehr als einen abweisenden Blick zu schenken.
Im Gegensatz zu ihm hatte Helene ihn erkannt und kniff verärgertden Mund zusammen. Es hatte eine Zeit gegeben, da war der Mann froh gewesen, ihre Hilfe annehmen zu können. Aber offensichtlich hatte er die Erinnerung an sie nach seiner Niederlage verdrängt, oder er nahm es ihr übel, weil es ihm trotz ihrer Hinweise nicht gelungen war, Irmhilde von Hochberg auf den Scheiterhaufen zu bringen. Sie vergaß jedoch seinen hohen kirchlichen Rang nicht, der es ihm ermöglichte, ihr zu schaden. Daher neigte sie mit gut gespielter Freundlichkeit das Haupt.
»Ihr seid Ehrentrauds Oheim? Gott im Himmel sei gedankt, dass Ihr diesen furchtbaren Schlächtern entkommen konntet. Eure Nichte hat sich Euretwegen bereits große Sorgen gemacht. Tretet doch näher. Moni, ein Glas Wein für den hochwürdigen Herrn Prior.« Während die Magd davoneilte, um das Verlangte zu besorgen, knickste Helene vor Lexenthal und führte ihn zu Ehrentraud.
Der Prior musterte seine Nichte entmutigt und ein wenig mitleidig. Nach der langen Fahrt auf der Donau wirkte das Mädchen stark ausgemergelt, und die Verletzung in ihrem Gesicht entstellte sie weit stärker als in Neuburg.
Ehrentraud hatte nicht erwartet, ihren Onkel so schnell wiederzusehen. »Oheim, Ihr? Ich danke Euch, dass Ihr mich nicht vergessen habt.«
Sie knickste und keuchte vor Schmerz auf, weil der Stoff ihres Kleides die entzündete Brust einzwängte. In ihrer Schwäche wäre sie beinahe zu Boden gestürzt, doch ihr Onkel fasste gerade noch rechtzeitig zu und hielt sie fest.
»Ich hatte gehofft, dich wohler zu finden!« Es klang enttäuscht, hatte Lexenthal doch bereits Pläne geschmiedet, mit denen er die Zukunft seiner Nichte sichern
Weitere Kostenlose Bücher