Die Feuerbraut
das stundenlange Knien und Beten. Vor der Flucht waren alle ihre Gedanken auf eine möglichst glanzvolle Heirat gerichtet gewesen, und nun musste sie einen Weg finden, wenigstens einen annehmbaren Ehemann zu bekommen. Sie dachte an den jungen, hübschen Lakaien zu Hause, dessen Anblick in ihr wohlige Gefühle ausgelöst hatte. Beinahe hätte sie seinem charmanten Werben nachgegeben, doch dann hatte sie ihn mit ihrer Mutter in deren Schlafzimmer überrascht. Sie erinnerte sich noch gut an ihre Enttäuschung und ihre verzweifelte Wut, aber auch an das Gefühl ihrer Erleichterung, ihre Jungfernschaft nicht einem unbesonnenen Augenblick geopfert zu haben.
Zwei Monate später hatte eine Seuche ihre Mutter und auch den galanten Diener dahingerafft, und das war wohl die Strafe des Himmels für ihr sündiges Tun gewesen. Aus diesem Grund hatte Ehrentraud weniger Trauer um ihre Mutter empfunden, als sie selbst erwartet hätte.
Lexenthal sah, wie es in Ehrentraud arbeitete, und er ließ ihr Zeit, sich zu fassen. Eine solch gefährliche und gleichzeitig heikle Aufgabe musste ein leichtfertiges Geschöpf wie sie erregen. Aber sie war seine schärfste und wohl auch einzige Waffe, mitder er Irmela von Hochberg als Hexe entlarven konnte, und er würde sie so pfleglich behandeln müssen wie eine feingeschliffene Klinge.
Als ihr Blick sich wieder auf ihn richtete, tätschelte er ihre Hand. »Bedenke es wohl! Es gilt, ebenso deine Zukunft zu sichern wie dein Seelenheil. Die Hexe will dich quälen und dem Satan ausliefern, auf dass du am Jüngsten Tag nicht der Wiederauferstehung teilhaftig wirst.«
»Ich werde alles tun, um Euch nicht zu enttäuschen, Oheim!« Bei dem Gedanken, dass Irmela einmal Qualen würde erleiden müssen, die die ihren weit in den Schatten stellten, fühlte Ehrentraud eine ungewohnte Befriedigung, und als ihr Onkel sich erhob, knickste sie beinahe übermütig.
»Ich werde gute Ärzte und Chirurgen ausfindig machen und zu dir schicken, damit sie sich um deine Verletzungen kümmern. Damit Gott befohlen, mein Kind!«
Während Lexenthal sich von seiner Nichte verabschiedete, knirschte Helene von Hochberg mit den Zähnen und sagte sich, dass die Pläne des Priors ihren eigenen Zielen höchst gefährlich werden konnten. Gegen Ehrentraud selbst durfte sie um Himmels willen nichts unternehmen, denn das würde Lexenthal sofort Irmela anlasten, um die Hände nach deren Vermögen auszustrecken. Sie würde die enge Freundschaft, die Ehrentraud mit Johanna verband, für ihre Zwecke ausnützen müssen und nahm sich vor, diese auf eine Art und Weise zu fördern, welche der fromme Herr Prior sich wohl nicht würde vorstellen können. Zunächst galt es jedoch, die Weiterreise zu jener abseits aller Straßen gelegenen Hochberg-Besitzung vorzubereiten, die ihnen in den nächsten Monaten als Heimstatt dienen sollte, und niemand war geeigneter, ihr zu helfen, als Rudolf Steglinger.
ZWEITER TEIL
Lützen
I.
Irmela blickte empört auf den Rücken der Magd, die sich mit schnellen Schritten entfernte. Hatte das Weib sich doch in schnippischem Tonfall geweigert, ihr das Waschwasser zu holen, und war unter dem Vorwand, einen Auftrag von Ehrentraud von Lexenthal erfüllen zu müssen, einfach weitergegangen. Das war ihr in den zwei Monaten, die sie nun mit Meinarda, Helene und den anderen in diesem Haus weilte, noch nicht passiert. Zwar hatte es immer wieder Ärgernisse gegeben, aber so offen hatte man ihr bisher nicht den Gehorsam verweigert. Das Gesinde sah Helene von Hochberg als Besitzerin des Gutshofs an und behandelte sie, als sei sie die Herrin. Irmela hingegen wurde mehr und mehr missachtet. Dabei gehörte das Anwesen ihr, Komtesse Irmela von Hochberg und Herrin zu Karlstein.
Von einem älteren Knecht hatte sie erfahren, dass der Gutshof, der in einem Seitental der Waldberge lag, in friedlicheren Zeiten eine der ertragreichsten Liegenschaften ihrer Familie gewesen war. Die Verwalter hatten gutes Bauholz schlagen und über die nahe Ilz bis Passau bringen lassen, um es gleich dort zu verkaufen oder ins Österreichische bis nach Linz oder Wien schaffen zu lassen. In diesen Zeiten fuhren jedoch keine Flöße mit mächtigen Baumstämmen gen Osten, denn der Krieg fraß alle Mittel auf, und für die Errichtung von Kirchen und Palästen fehlte allenthalben das Geld. Nun wurde Holz für Gussöfen und Schmieden gebraucht, doch dafür waren die mächtigen Stämme der Waldberge zu schade. Daher verkaufte der jetzige Verwalter
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