Die Feuerbraut
Ohrfeige, und sie krümmte sich vor Ekel und Enttäuschung. Lautlos, wie sie gekommen war, schlüpfte sie aus dem Zimmer und rannte in ihre Kammer. Noch während sie sich auf ihr Bett warf, brach sie in Tränen aus. Nie hätte sie gedacht, dass ein weibliches Wesen so schamlos sein könnte wie Ehrentraud, und noch mehr erbitterte sie die Tatsache, dass Fabian sich dazu herabgelassen hatte, das Narbengesicht zu besteigen wie ein Hengst die rossige Stute. Bis zu diesem Tag war er ihr Held gewesen, und nun festzustellen, dass er nicht anders war als andere Männer auch, tat ihr weh.
DRITTER TEIL
Das Komplott unter dem Apfelbaum
I.
Es war unerträglich heiß im Wagen. Die Luft stand, und selbst das Öffnen des Wagenschlags brachte keine Erleichterung. Irmela drückte sich tief in ihre Ecke, während Helene und Johanna um die Wette redeten und sichtlich dem Ereignis entgegenfieberten, für das sie die lange Fahrt auf sich genommen hatten. Auch Ehrentraud schien das schwüle Wetter ausnahmsweise nicht zu stören. Sie hatte zwei Lagen dunklen Schleiertuchs über ihr Gesicht gelegt und sah damit aus wie die Frau auf dem Bild, das Fabian Irmela wie zum Trost für die wochenlange Missachtung kurz vor seiner Abreise geschenkt hatte. Es sollte von einem Franzosen gemalt worden sein, der den Botschafter seines Herrn, König Ludwig XIII., ins ferne Konstantinopel hatte begleiten dürfen, und zeigte eine Haremsdame.
Das war ein Begriff, mit dem Irmela nicht viel anzufangen wusste. Es erschien ihr unvorstellbar, dass ein Mann Gottes Gebot trotzte und mehr als eine Frau heiratete. Doch Fabian hatte ihr erklärt, dies sei in den Ländern der Osmanen so Sitte. Der Sultan, wie sich der König dieser Leute nannte, sollte über dreihundert Frauen besitzen, und seine Paschas – die Fürsten und Herzöge dieses Landes – nicht viel weniger. In Irmelas Augen war dies ein verstörender Gedanke. Wenn jeder Mann im Reich dieses seltsamen Sultans mehr als ein Weib hatte, mussten dort anders als hierzulande viel mehr Mädchen als Knaben geboren werden.
»Wir sind gleich da!«
Helenes Stimme riss Irmela aus ihren Betrachtungen. Ihre Stiefgroßmutter erhob sich und steckte den Kopf zum Schlag hinaus. Für die anderen blieben nur noch die beiden kleinen Fenster auf der anderen Seite, und die hatten Johanna und Ehrentraud in Beschlag genommen. Daher musste Irmela sich gedulden, biseine der beiden ihr Platz machte oder Helene sich wieder setzte. Danach sah es im Augenblick jedoch nicht aus, denn ihre Stiefgroßmutter begrüßte die Insassen einer anderen Kutsche, die mit ihnen zusammen auf den Platz zurollte, mit übertriebener Freundlichkeit.
»Grüß Euch Gott, Herr Steglinger! Ihr seid wohl auch gekommen, um die Hexe brennen zu sehen. So ein Anblick wird einem nicht jeden Tag geboten. Deshalb habe ich mir gedacht, ich setze die Mädchen in den Wagen und lasse uns hierher kutschieren. Euer wertes Befinden ist doch gut, hoffe ich? Euer Rock kleidet Euch übrigens ausgezeichnet. Auch Eure Pferde sind wunderbar, und das ist ein Wunder in diesen schlimmen Zeiten, in denen jedes brauchbare Pferd den Aufkäufern des Herrn Wallenstein in die Augen sticht.«
Die Frau spricht ohne Punkt und Komma, dachte Irmela, die sich von Helenes schmeichlerischem Tonfall abgestoßen fühlte. Immerhin handelte es sich bei dem so enthusiastisch Begrüßten um Rudolf Steglinger, und der war laut Gesetz noch immer Walburgas Ehemann, auch wenn er auf dem besten Wege zu sein schien, dies zu ändern. Irmela begriff jedoch, weshalb Helene Steglinger so um den Bart ging. In einer Zeit, in der jeder Gutshof und jede Burg von einem der durch die Lande streifenden Heere niedergebrannt und die Ernte vernichtet werden konnte, waren Männer wie er, die ihren Reichtum nicht nur zu wahren, sondern auch zu mehren wussten, selten zu finden. Nach seiner Flucht vor den Schweden, die nun etwas über ein Jahr zurücklag, hatte Steglinger sein gerettetes Geld eingesetzt, um in das Geschäft eines Heereslieferanten einzusteigen, und nicht lange, da füllten sich seine Truhen mit gemünztem Gold und den Schuldverschreibungen beinahe aller Feldherren des Kaisers. Wallenstein würde Kaiser Ferdinand bald auffordern müssen, Steglinger einen höheren Rang zu verleihen, damit dieser auf die fälligenZinsen verzichtete. Für eine Frau wie Helene war eine Ehe mit solch einem Mann ein erstrebenswertes Ziel.
Steglinger schien durchaus an ihr interessiert zu sein, denn er befahl dem jungen
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