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Die Feuerbraut

Titel: Die Feuerbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auch vor den Augen des Gesindes verbarg, um nicht ständig entsetzt angestarrt zu werden. Also musste der Reiz, eine Hexe auf dem Scheiterhaufen sterben zu sehen, stärker sein als ihre panische Scheu vor fremden Menschen. Sie hatte sich jedoch so sorgfältig verschleiert, dass niemand sehen konnte, wie sie nun aussah.
    Irmelas Ansicht nach hatte Ehrentraud es sich selbst zuzuschreiben, dass eine ihrer Narben, die bereits verblasst gewesen war, sich nun wie eine fette Raupe über eine Gesichtshälfte zog. Von Portius’ Elixieren und Salben enttäuscht, hatte sie sich schließlich doch in Doktor Lohners Hände begeben, der ja Fanny erfolgreich operiert hatte. Die Magd hatte nur noch einen weißen, ein wenig rauhen Fleck an der Stelle, an der eine dunkle, knotige Narbe gesessen hatte, und gewiss wäre es Lohner ebenfalls gelungen, Ehrentrauds Gesicht ein angenehmes Äußeres zu geben. Doch Portius hatte sie verleitet, eine seiner Salben auf die frisch operierte Stelle zu schmieren. Das Ergebnis war eine heftige Entzündung gewesen und ein teilweiseviolett schimmernder, daumendicker Wulst von der Schläfe bis fast zum Kinn.
    Irmela erinnerte sich nur mit Schaudern an jene Tage, in denen das Unglück sich abzuzeichnen begann. Sie alle hatten um Ehrentrauds Verstand gebangt, denn die junge Frau war rasend vor Wut auf die beiden Ärzte losgegangen und hatte versucht, sie mit einer Schere zu erstechen. Auch zwischen den beiden Herren hatten sich üble Szenen abgespielt, denn Lohner war nicht weniger wütend gewesen und hatte seinen Konkurrenten beschuldigt, die Entzündung mit Bedacht herbeigeführt zu haben. Statt den hinterhältigen Portius fortzujagen und sich erneut in Lohners Hände zu begeben, hatte Ehrentraud beide aus dem Haus weisen lassen. Nun war sie entstellter als zuvor und musste Tag für Tag an Fannys Beispiel mit ansehen, über welch begnadete Hände der einstige Heereschirurg verfügte.
    »Sie bringen die Hexe!«, rief Helene mit einem Mal. Ihr Tonfall verriet, wie sehr sie sich darauf freute, eine andere Frau leiden zu sehen.
    Während ihre drei Begleiterinnen ausgestiegen waren, um das Geschehen besser verfolgen zu können, hatte Irmela sich noch tiefer in ihre Ecke verkrochen. Helenes Ausruf brachte sie dazu, durch den offenstehenden Schlag hinauszuschauen. Ihre scharfen Augen zeigten ihr den im Talgrund errichteten Scheiterhaufen so klar, als stünde sie direkt davor. Die umliegenden Höhen bildeten ein natürliches Amphitheater, in dem sich einige hundert Zuschauer drängten. Gerichtsknechte hielten die ebene Fläche, auf der die Kutschen der höheren Herrschaften standen, von anderen Schaulustigen frei, so dass Leute wie Steglinger und Helene nicht nur den besten Blick auf das Geschehen genossen, sondern auch nicht von dem niederen Volk und seinen Ausdünstungen behelligt wurden.
    Gerade kontrollierten die Helfer des Henkers den Holzstoß, indessen Mitte sich ein starker Pfahl erhob. Als sie zurücktraten, schleiften mehrere Büttel eine schmale, gebeugte Gestalt in das Rund. Die Frau konnte nicht mehr auf ihren Beinen stehen, weil die Folterwerkzeuge der Henkersknechte ihr die Knochen gebrochen hatten. Von ihren Fingern waren nur blaurot verfärbte Stümpfe übrig, und der Rest, der von ihrer Haut zu sehen war, bestand aus Wunden und blauen Flecken. Man hatte die Alte vor der Hinrichtung gewaschen und in ein langes, weißes Hemd gesteckt, auf dem sich frische Blutflecken abzeichneten. Auch schien sie ohnmächtig zu sein, denn weder bat sie den Pfarrer um Gnade, der ihr mit erhobenem Kreuz entgegenkam, noch flehte sie die Henkersknechte an, sie zu verschonen.
    Die Leute, die ein erregendes Schauspiel erwartet hatten, fühlten sich betrogen und begannen zu murren. Dem Priester passte es ebenfalls nicht, dass die Verurteilte nicht reagierte, und er erteilte einem der Knechte einen leisen Befehl. Dieser packte einen ledernen Eimer, drängte sich durch die vordersten Zuschauerreihen und ging zu einem in der Nähe fließenden Bach. Dort füllte er das Gefäß bis zum Rand mit Wasser und schüttete es der Hexe mit heftigem Schwung ins Gesicht.
    Die Frau zuckte mit Armen und Beinen und hob den Kopf. Der Priester sah es mit zufriedener Miene und erhob erneut das Kreuz. »Beuge dein Knie vor dem Zeichen Christi, Weib, und bereue, auf dass dir am Tage des Jüngsten Gerichts doch noch die ewige Seligkeit zuteil werde!«
    Die Frau sah den Priester ein paar Augenblicke mit schräg gelegtem Kopf an. Dann verzerrte

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