Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
dachte ich daran, mir den Finger abzuschneiden. Aber ich hing an ihm, und ohne Seelenreißer würde er mir kaum nachwachsen.
Einmal hatte ich die Fingerkuppe meines linken Daumens verloren, es dauerte Monate, bis sie wieder da war, und bis es so weit war, konnte ich Seelenreißer kaum richtig führen. Die Götter hatten sich etwas dabei gedacht, dass der Mensch zehn Finger besaß.
Also war die einzige Möglichkeit die, nach Askir zu reisen und den Kommandanten darum zu bitten, diesen Ring von mir zu nehmen. Denn eines war sicher: Noch weniger als zum Befehlegeben eignete ich mich dafür, welche entgegenzunehmen.
Das nächste Schiff nach Askir würde wohl kaum lange auf sich warten lassen, also waren es nur noch einige wenige Tage, bis ich den Kommandanten sehen würde. Ich hoffte nur, dass er Verständnis für meine Erklärungen aufbringen konnte und mich nicht sofort aufhängen ließ.
»General?« Ich drehte mich um und erkannte den jungen Soldaten, der oben im Signalturm als Läufer Dienst tat. Er sah eingeschüchtert aus, also versuchte ich, freundlich zu lächeln.
»Was gibt es?«
»Der Sergeant bat mich, Euch auszurichten, dass er soeben Nachricht von Eurem Schiff erhalten hat. Wenn es Euch genehm ist und Ihr noch einmal hoch zum Turm …«
Ich hörte den Rest seiner Worte nicht mehr, ich war schon unterwegs.
»Hier«, meinte der Sergeant mit einem breiten Grinsen, als ich schweratmend oben auf der Plattform des Signalturms ankam. »Bevor ich Euch die Nachricht vorlese, werft einen Blick durch das Glas.« Er trat zur Seite und machte mir den Weg zu dem riesigen Sehrohr frei, das auf seinem schweren Messingständer auf die See ausgerichtet war. Ich trat an das Rohr heran und schaute durch die Augenlinse. Ich erwartete wie bei den anderen Sehrohren das Bild wieder auf dem Kopf stehend vorzufinden, aber dieses hier drehte die Welt nicht um. Zuerst sah ich nichts als Wasser, dann erkannte ich irgendetwas weiter seitlich, drehte das schwere Rohr ein wenig und bemerkte zwei Schiffe in der Ferne. Eines davon war ein Schwertschiff der Reichsstadt, baugleich zu Elgatas Schneevogel . Das andere, das dem ersten Schiff in kürzester Entfernung folgte, nein, geschleppt wurde, war unmissverständlich die Lanze .
Ich nahm das Auge vom Sehrohr und schaute über das Meer hinaus; mit bloßem Auge waren die Schiffe nicht zu erkennen. Wenn ich aber hindurchblickte, schien es, als wären sie nur wenige Hundert Meter entfernt, so nahe, dass ich fast sicher war, den Mann zu erkennen, der dort mit nacktem Oberkörper am Ruder stand, einen Arm nachlässig um den Ruderbalken gelegt, in der anderen Hand etwas, das nur ein Bierhumpen sein konnte.
Die Lanze hatte keine Segel gesetzt, und bis auf Angus regte sich an Bord zuerst nichts, dann sah ich eine schlanke Gestalt aus der Achterkabine treten. Mein Herz schlug heftig, aber es war nicht Leandra. Dieses lange dunkle Haar konnte nur Serafine gehören.
Die Lanze sah mitgenommen aus, die große Besanrute, an der das dreieckige Segel festgemacht gewesen war, war zu einem Drittel abgebrochen, verkohlte Reste von Segeltuch hingen herunter, Teile der Reling zeigten große Breschen, und an zwei Stellen sah ich Ballistenbolzen in der Bordwand stecken. Aber sie schwamm und wurde von einem Schiff der Reichsstadt geschleppt. Sie hatten es geschafft!
Ich atmete tief durch und trat dann langsam vom Sehrohr zurück. »Es ist mein Schiff, Sergeant«, sagte ich und merkte, wie erleichtert ich wirklich war. Ich hatte mir wohl deutlich mehr Sorgen gemacht, als ich es mir selbst eingestehen wollte. »Wie lautet die Nachricht?«
»Sie ist nicht für Euch bestimmt, General«, meinte der Sergeant, »sondern für den Dockmeister, aber ich denke, in Eurem Fall kann ich eine Ausnahme machen.« Er zwinkerte mir zu. »Erwähnt es nicht Wendis gegenüber. Er mag es, wenn alles seinen geregelten Gang nimmt.«
»Spannt mich nicht auf die Folter, Mann«, meinte ich. »Was sagt die Nachricht?«
»Es sind leider auch schlechte Nachrichten, General«, sagte der Sergeant nun ernst. »Die Meteus fand die Dhau auf offener See, etwa hundert Seemeilen von hier entfernt, sie fuhr unter einem Notsegel und war sichtbar beschädigt. Die Meteus eilte zu Hilfe, und wie Ihr sehen könnt, nahm sie Euer Schiff in Schlepptau.« Der Sergeant schaute auf sein Signalbuch. »Es ist wohl zu einem Gefecht mit Piraten gekommen. Der Kapitän der Meteus vermerkt hier, dass er den Gottesdienst für zwei Eurer Besatzungsmitglieder
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