Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
mit einer Wehrmauer versehen?«, fragte ich ungläubig.
»Ja, auch der.«
»Keine Stadt hat genug Wachen, um eine solche Wehranlage zu besetzen«, widersprach ich. »Das kann nicht sein.«
»Ihr habt recht«, sagte sie überraschenderweise. »Diese Mauern sind nicht besetzt. Es ist auch nicht notwendig. Sie sind über dreißig Mannslängen hoch und meist gut fünfzehn bis zwanzig Schritt breit. Kein Katapult wird sie erschüttern, kein Belagerungsturm wird die Mauerkrone erreichen können. Es reicht, die Tore zu schließen.«
Kelars Mauern hatten als mächtig gegolten, und ich wusste nur zu gut, wie schwer es war, eine solche Mauer zu errichten. Über diese Länge und mit diesen Maßen schien es mir nicht möglich. An einer solchen Befestigung müsste man tausend Jahre bauen, und sie wäre wohl noch immer nicht fertiggestellt. Nun gut, vielleicht hatte sich Serafine in Höhe und Breite geirrt.
»Ich dachte, die Stadt wäre belagert worden. Von den Prinzen.«
Sie lachte leise. »Ihr vergesst, das war nach meiner Zeit. Ich kann es mir nicht vorstellen. Außerdem … Ihr habt in Eurer Heimatstadt eine Belagerung erlebt, nicht wahr? Was waren die größten Nöte der Verteidiger?«
»Nahrung«, antwortete ich ohne Umschweife. Es war lange her, aber ich konnte mich gut daran erinnern. Wenn man einen halbverhungerten Straßenköter erblickte, brauchte man nur zu blinzeln und schon stellte man ihn sich gebraten am Spieß vor. Garniert mit Ratten. Geröstet oder paniert schmeckten sie auch nicht so übel. Nicht wenn man hungrig genug war. Zum Schluss gab es kaum mehr Hunde in der Stadt. Selbst die Ratten hatten gelernt, vorsichtig zu sein.
»Das wird in Askir nicht geschehen. Zum einen wird es kaum möglich sein, den Seehafen zu blockieren. Zu meiner Zeit gab es keine Flotte, die das gewagt hätte, und nach dem, was ich hörte, wurde die Flotte über die Jahrhunderte nicht reduziert, sondern eher noch erweitert. Zum anderen umschließt diese äußere Mauer fruchtbares Land mit Feldern und Wäldern und Gehöften. Die eigentliche Stadt liegt nur in den drei inneren Kreisen, der weitaus größere Teil ist sorgsam kultiviertes Land. Überall gibt es tiefe Brunnen, und der Fluss Ask ist kaum weniger mächtig als der Gazar. Es wäre sinnlos, ihn zu vergiften oder umzuleiten. Es ist nicht nur eine Stadt, Havald, sondern ein kleines Land. Wenn Askir seine Tore schließt, wird man auf wenig verzichten müssen, es gibt kaum etwas, das die kaiserlichen Manufakturen nicht herstellen, und die notwendigsten Güter werden in großen Hallen gelagert. Wenn eine Armee Askir belagern würde, wäre es diese Armee, die verhungert.« Sie strich sich über die Arme, als ob sie fror. »Vergesst nicht, dass Askir nicht wehrlos ist. In den meisten Reichen ist Magie verpönt und wird mit der Nekromantie gleichgestellt. In Askir ist das nicht so. Dort scheint es fast, als wäre jeder Stein vollgesogen mit der Magie der Jahrhunderte.«
»Und doch sind es Jahrhunderte, die seitdem vergangen sind«, sagte ich, wider Willen beeindruckt. »Ich frage mich, was von der einstigen Macht und Herrlichkeit heute noch erhalten ist.«
»Wir werden es herausfinden«, sagte sie und schaute nachdenklich drein. »Wisst Ihr, es kommt mir seltsam vor, was ich von Askir gehört habe, seitdem ich wieder lebe. Der Ewige Herrscher regierte das Reich und Askir über Jahrhunderte hinweg. Wenn er älter wurde, dann nur sehr langsam. Er war immer noch jung, als ich ihn das letzte Mal sah. Er plante für die Jahrhunderte, Havald.«
»Aber nicht immer waren seine Pläne durchführbar.« Ich dachte an die Kanalisation, die er für Gasalabad geplant hatte. Zu spät fand man heraus, dass der gewachsene Stein, auf dem die Stadt errichtet wurde, nicht die Ausdehnung hatte wie angenommen. Zu viel Sand und zu viele Unfälle, weil der Sand die Arbeiter unter sich begrub.
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber wenn Ihr ihm je begegnet wärt, würdet Ihr auch daran zweifeln, dass er abdanken musste. Wir waren zusammen bei der Garnison. Ihr habt selbst gesehen, wie das Imperium baute. Ein paar neue Dächer und Tore, einmal durchfegen … Ich habe das Gefühl, als ob das Reich auf etwas wartet. Als ob er, Askannon, auf etwas wartet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nicht mehr ist.«
»Wisst Ihr, warum er so alt wurde?«, fragte ich. Eine seltsame Frage, wenn man bedachte, dass ich nur noch deshalb lebte, weil ich ein Schwert trug, das er geschmiedet hatte.
»Nekromanten leben so
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