Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
weiß, das Risiko wert ist.«
»Es geht mir nicht um das, was er weiß«, widersprach Zokora, als sie sich das Seil in einem verschlungenen Knoten um Beine und Hüfte wickelte. »Es geht um das, was er hat.« Sie trat an den Spalt hinunter, blickte nach unten, dann wieder zu uns. »Wartet auf mich«, sagte sie und rannte die Wand hinunter, als wäre sie eine ebene Fläche, noch bevor ich etwas entgegnen konnte.
Einen langen Moment befürchtete ich, sie würde unten aufschlagen, doch dann sah ich, wie sie das Seil löste, zweimal daran zog und sich ohne weiteres Zögern rasch hinter eines der alten Häuser begab, die dort unten den Hafen säumten. Einen Augenblick später war sie aus meinem Blickfeld verschwunden.
»Ich hasse das«, sagte ich zu niemand Besonderem.
»Sie hätte erklären können, was sie vorhat«, beschwerte sich Angus. »Warum erklärt sie nie etwas?«
»Weil sie denkt, sie hätte es schon getan«, sagte Serafine, während ich wortlos das Seil Hand über Hand wieder einholte.
»Aber das hat sie nicht!«, widersprach Angus.
»Sie will das, was der Priester hat«, erklärte Serafine. »Also die Robe und den Stab.«
»Das habe ich auch so verstanden«, meinte Angus etwas unwirsch. »Ich meinte, warum sagt sie nicht, wie sie es tun will? Es ist heller Tag, und dort unten sind Hunderte Gegner unterwegs.«
»Weil sie es nicht für nötig befand«, sagte ich jetzt. »Sie hat ihre Entscheidung getroffen. Also sollten wir uns um unseren Teil kümmern. Wir bauen unser Lager auf und rasten, bis die Nacht einbricht oder Zokora zurückkommt.«
»Aber was ist, wenn sie es nicht schafft?«, meinte Angus. Wenn mir zuvor seine unangebrachte Zuversicht aufs Gemüt geschlagen war, gingen mir jetzt seine Zweifel gegen den Strich.
»Sie wird es schaffen!«, teilte ich ihm barsch mit und griff nach der Laterne. »Und jetzt hilf mir, diese Laterne nach oben zu bringen!« Ich deutete auf die teilweise eingestürzten Stockwerke über uns. »Wir müssen sie in den zweiten Stock bringen. Dort wird niemand sie finden, auch dann nicht, wenn eine Streife hier vorbeikommen sollte. Wir hingegen bauen unser Lager im Keller. Dort ist es kühler, und es lässt sich leichter schlafen als hier in der Hitze.«
»Wenn eine Streife herkommt, wird sie dann nicht auch den Keller durchsuchen?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Der Keller ist seit Jahrhunderten unberührt. Aber selbst wenn, werden sie uns nicht finden. Denn wir werden in der Zisterne lagern.«
»Rechnest du mit feindlichen Streifen?«, fragte er und bildete mit seinen Händen eine Stufe für mich, damit ich leichter in den nächsten Stock gelangte.
»Nein«, sagte ich und zog mich hoch. »Aber das bedeutet nicht, dass es keine geben wird.«
Zokora kam früher zurück als erwartet, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie den gleichen Weg wählen würde. So steil, wie der Abhang hier war, hätte ich schwören können, dass nicht einmal sie es fertigbringen würde, diese Wand ohne Seil zu erklimmen.
Sie zog sich durch den Spalt der Zisterne zu uns hinein und war dabei noch nicht einmal außer Atem. Der Felsen hatte Spuren von grauem Gesteinsstaub an ihr hinterlassen, sonst sah sie unverändert aus, jedenfalls nicht wie jemand, der in einen Kampf verwickelt gewesen war.
»Was ist geschehen?«, fragte ich, noch bevor sie ganz hineingeklettert war.
Sie ignorierte meine ausgestreckte Hand, zog sich elegant durch den Spalt und klopfte sich die Hände ab.
»Es bot sich keine Gelegenheit«, teilte sie mir mit und nahm dankend den Wasserschlauch an, den ihr Serafine reichte. »Aber ich weiß, wo er heute Abend sein wird. Sie haben ihrem Kaiser und Gott einen Schrein gebaut.« Sie trank durstig und reichte den Schlauch zurück. »Ich habe ihn belauscht, wie er mit einem Hauptmann etwas wegen einer Opferung in dem Schrein besprach.«
Sie löste Schwertgurt und Riemen, die Schnallen ihrer Rüstung, und beugte sich vornüber, sodass ihr Kettenhemd über ihre Schultern rutschte. So wie sie es tat, sah es elegant aus. Sie legte ihre Rüstung beiseite, zog ihren Packen heran, legte ihr Schwert daneben und rollte sich in die Decke.
Wir sahen sie erwartungsvoll an.
Sie schloss die Augen und lag still.
»Und weiter?«, fragte ich, als sie nichts sagte.
Sie öffnete ein Auge und sah mich überrascht an. »Er will jemanden opfern. Also wird er dort sein, nicht wahr?«
Serafine weckte mich etwa drei Kerzen später mit einer leichten Berührung an der Schulter.
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