Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
Sie hielt den Finger vor den Mund und deutete dann hoch zur Decke, wo sich die Öffnung des Brunnenschachts befand. Von dort hörte ich leise Stimmen und das Scharren von Stiefeln.
»Wenn du mich fragst, verschwendet sie nur unsere Zeit«, sagte eine raue Stimme über uns. Der Mann sprach Reichssprache, doch er verunstaltete die Wörter so sehr, dass man sie kaum verstand.
»Sie ist die Fürstin«, sagte jemand anders. »Sie wird wissen, warum sie meint, der Kerl käme hierher zurück. Also Leute, ihr kennt den Drill. Ihr beide gebt L’koris Deckung, während er nachsieht, ob sich der Kerl im Keller eingenistet hat.«
»Das ist schon das dritte Mal, dass wir nachsehen«, meinte der erste. »Der Kerl wäre blöde, auf die Insel zurückzukommen. Was ist, L’koris?«
Die Antwort des anderen Mannes hörten wir aus dem Keller. »Ich glaube, hier war jemand. Ich sehe Spuren im Staub.«
»Ja«, meinte der erste mit der rauen Stimme. »Von uns. Wir haben dort schon gestern alles auf den Kopf gestellt!«
»Na ja, jetzt ist hier jedenfalls niemand«, hörten wir darauf die Stimme dieses L’koris direkt durch die Wand der Zisterne. Er musste neben uns im Keller stehen.
»Bist du sicher?«, kam es von oben.
»Ganz sicher. Wenn er hier ist, hat er sich unsichtbar gemacht.«
»Glaubt man der Fürstin, ist bei dem Kerl nichts unmöglich.«
»Hier ist er nicht.«
»Gut, dann komm wieder hoch. Vergiss nicht, die Platte wieder hinzulegen, wir wollen ihn nicht warnen.«
»Das ist das dritte Mal, ich weiß schon, was ich tue«, brummte L’koris, dann hörten wir über uns, wie die Steinplatte, die den Abgang zum Keller verschloss, wieder an Ort und Stelle gerückt wurde.
Wir warteten noch eine ganze Weile, bis wir erleichtert aufatmeten.
»Was meinst du?«, fragte Angus. »Bist du der Kerl, den sie suchen?« Er sah unwillkürlich zu Zokoras Lager hin, doch die Priesterin schien tief zu schlafen.
»Ich wüsste nicht, wie sie auf die Idee kommen könnten«, antwortete ich ihm genauso leise.
»Aber du glaubst auch, dass es so ist, nicht wahr?«, fragte Serafine.
»Es ergibt keinen Sinn. Also nein«, sagte ich und legte mich wieder hin. Ich schloss die Augen, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Serafine hatte recht. Obwohl es keinen Sinn ergab, fürchtete ich, dass sie sehr wohl nach niemand anderem gesucht hatten als nach mir. Und wer bei Soltars Gnade war diese Fürstin, von der sie gesprochen hatten?
Ich musste dann wohl doch eingeschlafen sein, denn als Serafine mich zu meiner Wache weckte, fühlte ich mich, als hätte ich gerade erst die Augen zugemacht.
Der harte Boden der Zisterne hatte mich steif gemacht, also dehnte und streckte ich mich, während Serafine flüsternd berichtete, dass es keine weiteren Besuche gegeben hatte. Ich nickte, sah zu, wie sie sich müde in ihre Decke wickelte, und setzte mich mit meinem Sehrohr neben den Spalt, um weiter den Hafen auszuspionieren.
Ich fand wenig Neues heraus, nur dass unser Gegner sich ganz offensichtlich darauf einrichtete, eine lange Zeit hier zu verbleiben, denn die Reparaturarbeiten gingen weit über eine notdürftige Instandsetzung hinaus. Ich entdeckte auch einige lebende Piraten. An den linken Fußknöcheln aneinandergekettet marschierte eine Gruppe von gut zwanzig Piraten hoch zur Hafeneinfahrt, wo sie unter der Aufsicht von vier Soldaten daran arbeiteten, eine der Verschanzungen der Ballisten zu reparieren.
Ich dachte an den neuen Botschafter Letasans, Baron von Riburk. Allem Anschein nach verlor der Nekromantenkaiser keine Zeit damit, ein neuerobertes Reich einzugliedern. Wie ging das in der Heimat vonstatten? Versuchte man dort so schnell wie möglich die Normalität herzustellen, oder unterlag das Land nun dem Kriegsrecht und wurde wie hier auf den Inseln mit drakonischen Strafen dazu gebracht, nicht mehr aufzubegehren?
Kommandant Keralos hatte mir zugesagt, dass die Zweite Legion binnen eines Jahres neu aufgestellt und ausgerüstet sein würde. Mein Generalsergeant, Kasale, hatte von mir den Auftrag bekommen, diese Zeit auf die Hälfte zu verkürzen.
Sie schien mir nicht sonderlich zuversichtlich, dass es ihr gelingen würde. So oder so würde es lange dauern, bis die Legion in Richtung Illian marschieren konnte. Was war, wenn Illian bis dahin auch gefallen war und sich die Menschen dort damit abgefunden hatten, einem neuen Herrn zu dienen? Einfache Menschen wollten keinen Krieg, sie waren vernünftig genug, lieber den Acker neu zu bestellen, ihre
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