Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
wenn man so jemanden zurückweist. Er sagt, es sei Tradition, solche Leute an Bord zu nehmen und keine Fragen zu stellen. Außerdem zahlt sie gut.«
»Und wer ist sie?«
»Die Kriegerin eines mystischen Ordens aus einem fernen Reich. Eine Tochter des Drachens. Was auch immer das zu bedeuten hat.« Sie blickte zu unserem Kapitän hinüber. »Er zumindest schien beeindruckt.«
»Ein mystischer Orden? Ist sie eine Maestra oder etwas Ähnliches?«
»Ich glaube nicht«, antwortete Leandra. »Zumindest nicht in dem Sinne, wie wir es verstehen.«
Mein Magen grollte wie ein Bär. »Mir soll es recht sein«, seufzte ich. »Solange sie da sitzt und niemanden stört. Ich habe Hunger.«
»Wir haben geknobelt, wer kocht«, erklärte sie mir mit einem breiten Grinsen. »Du hast verloren.«
»Ich war doch gar nicht dabei«, beschwerte ich mich.
»Eben.« Sie lachte leise und gab mir einen federleichten Kuss. »Deshalb hast du ja auch verloren!«
Eine Feuerstelle auf einem Schiff war immer mit Vorsicht zu genießen. Die wenigsten Flusssegler besaßen eine, und zurzeit wurde auch unsere von der Besatzung nicht genutzt. Hier an Bord der Lanze befand sie sich in einem kleinen, offenen Raum mit niedrigen Wänden, der großzügig mit gebrannten Ziegeln und Blechen ausgekleidet war. Kaum mehr als eine Feuerstelle mit einem Dreibein darauf, an dem mit einem Haken ein Topf befestigt war. Unter diesem hing eine Kohleschale. Viel mehr war es nicht.
Als ich dort ankam, war die Glut bereits zum größten Teil verglüht, Leandra hatte mich wohl gefoppt. Tatsächlich war es Serafine gewesen, die sich erbarmt hatte, uns zu versorgen und uns einen Eintopf zu kochen. Von dem füllte sie mir jetzt eine Schüssel und gab mir einen großen Kanten weißes Brot dazu. »Die anderen haben schon gegessen«, erklärte sie. »Es ist gerade genug für dich übrig.«
In der letzten Zeit war ich verwöhnt worden; in unserem Haus in Gasalabad hatte zuerst Sieglinde gekocht, später Afala. Letztere hatte immer gern und reichlich gewürzt, Serafine hielt es nicht viel anders. Ich nahm die Schüssel und den Holzlöffel mit einem dankbaren Nicken entgegen und lehnte mich gegen eine Wand. Ich war groß genug, um meine Arme auf die niedrigen Wände auflegen zu können. Ein Wind, lau und stetig, kam von achtern, und jetzt, da die Sonne unterging, ließ die Hitze des Tages nach.
Zu Pferd hätten wir Askir vielleicht auch in vier Wochen erreicht, aber es wäre weitaus weniger angenehm gewesen. Und, wie Armin uns versichert hatte, weitaus gefährlicher.
»Ich mag Schiffsreisen«, teilte ich Serafine mit, die Sand auf die Glut warf und dann den schweren Topf mit zwei Lappen ergriff, um ihn von der Feuerstelle zu nehmen. Ich aß etwas und zog hart die Luft ein, nicht weil der Eintopf so heiß war, sondern wegen der scharfen Gewürze. Hastig aß ich ein Stück Brot.
»Ich auch«, meinte sie. »Ich war lange genug Soldat, um es zu genießen, wenn ich nicht marschieren muss.«
»Braucht Ihr Hilfe?«, fragte ich, als sie anfing, den Topf zu reinigen und mit Sand auszuscheuern. Nach dem ersten Bissen Brot verlor sich die Schärfe etwas. Ich wusste es zudem besser, als mich zu beschweren.
Sie schüttelte lachend den Kopf. »Wohl kaum. Wenn mich meine Erinnerungen nicht täuschen, seid Ihr wahrlich nicht der Richtige für solch eine Arbeit. Ihr seid reichlich ungeschickt darin. Am Ende geht der Topf noch kaputt.«
»Er ist aus Eisen«, meinte ich, und sie lachte.
»Vielleicht ist er sicher vor Euch, vielleicht auch nicht. Aber ich bin fast fertig.«
»Nun gut. In einem habt Ihr recht. Töpfe scheuern gehört nicht zu meinen Talenten«, gab ich zu.
In der Ferne heulte ein Wolf. Serafine sah überrascht auf.
»Was ist?«, fragte ich und aß weiter.
»Es gibt hier keine Wölfe«, erklärte sie. »Hyänen und anderes, aber keine Wölfe.«
Wieder ertönte das Geheul.
»Jetzt scheint es einen zu geben«, sagte ich, und wir lauschten zusammen in die Nacht. Doch das Geheul wiederholte sich nicht.
»Wie geht es Euch?«, fragte sie etwas später.
»Wie soll es mir gehen?«, gab ich zurück. »Ich bedauere die Dinge, die ich nicht getan habe. Als ich blind war, führte sie mich. Es … es brachte uns einander näher. Ich habe mich nie bedankt.« Ich ließ den Löffel sinken und betrachtete über ihre Schulter hinweg den Sonnenuntergang. Hier kam es mir vor, als ob die Sonne schneller sinken würde als in unserer Heimat. Hinter mir war der Himmel bereits dunkel, vor
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