Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
sehr unter der Situation, denn Amhal fehlte ihr, und nach ihrer letzten Begegnung war sie noch mutloser als zuvor.
Man hatte einen ungenutzten Flügel des Palastes für das Vorhaben ausgewählt, einen Salon, der zu den Empfangsräumen von Aminas Urgroßmutter Sulana gehört hatte. Learco hatte einst befohlen, dass alles, was dieser Frau mit dem tragischen Schicksal gehört, alle Räume, die sie bewohnt hatte, unangetastet bleiben sollten.
Amina war gleichermaßen eifrig bei der Sache wie beim letzten Mal. Sogleich schlüpfte sie wieder in die Rüstung, in der sie diesmal sogar zu kämpfen versuchte, bevor sie dann zu aufmerksamem Fechttraining übergingen.
Mira zeigte eine schier endlose Geduld, ließ sich auf alle Einfälle der Prinzessin ein, half ihr und behandelte sie insgesamt mit geradezu väterlicher Zuneigung. Adhara ihrerseits versuchte ebenfalls, sich engagiert und aufgeschlossen zu zeigen, war aber eigentlich in Gedanken ganz woanders: Bei Amhal, wie er mit Amina gespielt hatte, der familiären Atmosphäre, in der sie zusammen gewesen waren, dem gemeinsamen Streifzug durch die Stadt, seinem Sieg über die Mordlust.
Plötzlich sirrte es, und Adhara sah, wie Mira zu Boden stürzte. Als bliebe die Zeit stehen, nahm sie alles verlangsamt wahr: der schwere Leib des Ritters, der mit einem dumpfen Geräusch aufschlug, Aminas entgeistertes Gesicht, die verstaubten Wände des Raumes und, ganz deutlich, die Gegenwart einer weiteren Person.
Unwillkürlich griff sie zum Dolch und schnellte los. Adhara packte die Prinzessin, zwang sie zu Boden und schützte sie mit ihrem Körper in Richtung der breiten Fenster, die fast eine ganze Seite des Salons einnahmen.
Wieder hörte sie ihn, sah ihn fast, und eine weit ausholende Bewegung mit der Waffe in der Hand reichte ihr, um
den Pfeil an der Klinge abprallen zu lassen und zur Wand abzulenken, wo er klirrend zu Boden fiel. Amina schrie auf, doch Adhara blieb besonnen. Und als die Gestalt wie ein flinker Schatten aus ihrem Versteck hervorkam, war sie bereit. Sie sprang auf, maß den Feind mit einem raschen Blick und stellte sich ihm entgegen.
Wie von außen beobachtete sie, wie sich ihr Körper mit tödlicher Genauigkeit bewegte: Dolch gegen Dolch kämpften sie, und jeder Hieb, jeder Stoß von ihr saß. Eine blitzschnelle Abfolge genau festgelegter Bewegungen, die ihre Muskeln, wer weiß wo und wie, gespeichert hatten. Das Kreischen der sich kreuzenden Klingen, die Funken, die dabei aufstoben, waren Teil eines Kodexes, der ihr wohlvertraut war. Sie sprang zurück, stützte sich mit den Armen ab, traf den Gegner mit einem Tritt, vollendete den Überschlag und stand sofort wieder, tief in den Knien, kampfbereit da. Schon schnellte sie wieder los, presste den Angreifer gegen die Wand und hielt ihn an der Kehle fest. Da spürte sie einen Luftzug am Unterleib, packte den Arm, der auf sie einstechen wollte, und brauchte nur den Hebel anzusetzen. Sie hob ihn von den Beinen und ließ ihn schwer zu Boden krachen. Und bevor er sich wieder aufrappeln konnte, war sie schon hinter ihn getreten und hatte ihm die Klinge ins Fleisch gestoßen.
Nicht den leisesten Klagelaut gab er von sich, erstarrte nur kurz und sank dann leblos in sich zusammen. Nur leicht keuchend, die Hände glitschig, stand Adhara da. Als sie den Blick senkte und das ganze Blut daran sah, war ihr, als erwache sie aus einem bösen Traum.
Was war geschehen? Was hatte sie getan?
Und dann diese ungeheure, alles verdrängende Erkenntnis: Sie hatte getötet.
Doch ihr blieb keine Zeit, in Verzweiflung zu geraten oder sich auch nur darüber klarzuwerden, was eigentlich passiert war. Haltlos weinend und irgendetwas brüllend, hockte Amina in einer Ecke.
Adhara eilte zu ihr und nahm sie in den Arm. »Ist dir was passiert? Bist du in Ordnung?«
Sie war nicht ansprechbar. Erst nach einer Weile begriff Adhara, dass die kleine Prinzessin immer wieder schluchzend einen Namen rief: »Mira. Mira …«
Er lag neben ihr am Boden, und da fiel auch Adhara wieder ein, wie es angefangen hatte, mit Mira, der plötzlich in sich zusammengesunken war.
Amina fest an sich drückend, betrachtete sie ihn, und das Herz blieb ihr stehen: In seinem Hals steckte ein Pfeil, und sein Gesicht war fahl.
DRITTER TEIL
ADHARAS SCHICKSAL
24
Trauer
E s war die Hohepriesterin persönlich, die um Miras Leben kämpfte.
Das Haar zerzaust, die Gesichtszüge angespannt und in ihren Alltagskleidern, traf sie am Unglücksort ein. Sofort beugte sie
Weitere Kostenlose Bücher