Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
blutende Hand festzuhalten versuchte.
Doch er entzog sich der Berührung und schrie dem Himmel sein verzweifeltes, zornerfülltes »Warum?« entgegen. Dann schloss er sich in dem Raum ein, in dem sein Meister gestorben war.
Neor dankte Adhara aus tiefstem Herzen: »Ohne dich wäre meine Tochter jetzt tot. Mir fehlen die Worte, um dir meine Verbundenheit zu zeigen.«
Theanas besorgter Blick, die Anteilnahme, mit der sie ihre Hände drückte, so als gebe es etwas Verbindendes zwischen ihnen.
Die gerührten Blicke des Königs und der Königin. »Dir verdanken wir das Leben unserer Enkeltochter.«
Und dann die Ermittlungen, die Befragungen.
Die folgenden Tage waren geprägt von verschiedensten Begegnungen, Gesprächen und dem verzweifelten Bemühen, Antworten auf unzählige Fragen zu finden. Der Palast versank in einer düsteren, beklemmenden Atmosphäre; überall erblickte man Soldaten sowie jene Männer, die, wie man munkelte, zu einer Spezialeinheit unter dem Befehl der Königin gehörten.
Die einleuchtendste Erklärung, die auch im Kreis der Würdenträger ebenso wie unter der Dienerschaft am häufigsten zu hören war, lautete, dass der Anschlag der Prinzessin gegolten hatte. Eine andere Erklärung gab es im Grund nicht. Gewiss war Mira ein hochrangiger Offizier der Akademie gewesen, hatte sich aber seit langem schon nur noch um den Schutz der königlichen Familie gekümmert. Warum sollte man ihn umbringen wollen? Aber wer war der Täter, und was steckte dahinter? Und würde man es erneut versuchen? Amina war nun auf Schritt und Tritt von einer Schar Leibwächter umringt. Die Truppe, die für die Sicherheit des Palastes verantwortlich war, war verdoppelt worden, und der Hof stand nun Tag und Nacht unter strenger Bewachung. In Makrat vermischten sich die Gerüchte über die Ausbreitung der Seuche mit denen über den vereitelten Anschlag auf die Prinzessin. Die Vermutung, ein und derselbe Kopf habe die grassierende Krankheit ebenso wie die Verschwörung geplant, fand im Volk den größten Widerhall. Als Täter kamen die Nymphen in Betracht, andere
nannten die Gnomen, und das Chaos, das für die Makrater Straßen ohnehin typisch war, steigerte sich zu einem wahren Tollhaus. Lynchversuche, eine Atmosphäre extremen Misstrauens allem gegenüber, was auch nur entfernt als fremd eingestuft wurde, Morde: Makrat schien am Rand eines Abgrunds zu stehen. Und der Palast war ein Spiegelbild dieser Situation.
Wieder und wieder wurde Adhara befragt.
Und immer wieder musste sie erzählen, was an dem tragischen Tag geschehen war, was sie getan hatte, was ihr aufgefallen war. Jeden einzelnen Schritt rief sie sich in Erinnerung und staunte abermals selbst darüber, wie kühl und gefühllos sie in der Gefahr gehandelt hatte. So als habe sie lediglich ihre Pflicht getan und ein Verhaltensmuster abgerufen, das fest in ihr verankert war. Das ist dein Wesen, das wurde dir in die Wiege gelegt , ging es ihr durch den Kopf, während sie die Fragen der Ermittler beantwortete. Und niemand verlangte Rechenschaft wegen dieses Lebens, das sie ausgelöscht hatte, niemand machte ihr den geringsten Vorwurf. Ganz im Gegenteil begann man sie am Hof als Heldin zu betrachten. Wenn sie sich durch die Palastflure bewegte, drehten sich die Dienerinnen nach ihr um, und Soldaten warfen ihr Blicke kaum verhüllter Bewunderung zu.
Auch Amina war voll des Dankes und der Hochachtung. »Ich verdanke dir mein Leben, und du warst einfach fantastisch. Ich habe ja gesehen, wie du gekämpft hast, als würdest du tanzen!« Und dabei machte sie ihre genauen Bewegungen nach.
»Ach lass doch. Das war kein Spiel, weißt du«, wehrte Adhara ab.
»Das behauptet auch niemand. Ich meine ja nur, was du getan hast, war … heldenhaft!«
»Ein junger Mann ist dabei gestorben.«
Amina riss die Augen auf. »Was heißt das schon? Der wollte mich doch umbringen!«
Adhara hatte sich den Täter ansehen wollen, dort im Leichenschauhaus, wo er aufgebahrt war. Zwei Nächte lang hatte sein Blut an ihrem Dolch sie nicht zur Ruhe kommen lassen, bis sie endlich, unter Tränen, die Kraft fand, es wegzuwaschen. So fieberhaft hatte sie die Klinge abgerieben, dass sie sich dabei in den Finger schnitt. Und in dem Moment entschloss sie sich, sich ihr Opfer anzuschauen.
Sie hatte das Tuch angehoben, das ihn bedeckte, und sein verwelktes Gesicht betrachtet. Sie hätte nicht eindeutig sagen können, wie alt er wohl war, doch sie schätzte ihn ungefähr auf ihr eigenes Alter. So stand
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