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Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter

Titel: Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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sie versunken da und erinnerte sich mit Entsetzen, dass dieser Jüngling eine Zeit lang, während des Kampfes, nicht mehr als ein Körper für sie gewesen war, den es zu treffen, zu verletzen, auszubluten galt. Und auch jetzt, in der Blässe und den Fesseln des Todes, kam er ihr nur wie eine Hülle vor.
    Wie kann man mit so einer Tat zurechtkommen?
    Wie kann man sich verzeihen, wenn man getötet hat?
    Und wie kann man sein normales Leben weiterführen, wenn man weiß, dass man, ohne zu zaudern, getötet hat mit grauenhafter Selbstverständlichkeit?
    Sie hätte sich gewünscht, mit jemandem darüber sprechen zu können. Mit Mira etwa, der so oft die richtigen Worte im richtigen Augenblick gefunden hatte. Mira, ein Mann, den sie eigentlich kaum gekannt hatte, der sich aber in gewisser Weise einen Platz in ihrem Herzen erobert hatte und der ihr jetzt plötzlich fehlte, und das mehr wegen all der Dinge, die sie nicht von ihm wusste, die sie ihm nicht mehr von sich hatte erzählen können, als der tatsächlichen Beziehung wegen, die sie beide verbunden hatte. Aber er war nicht mehr da, war verschwunden, wer weiß, wohin.
    Wohin gingen die Toten?
    Lösten sie sich einfach auf und hörten auf zu sein?
    Gab es einen Ort, von dem aus sie ihnen zusahen, vielleicht über sie wachten?

    Wieder neue Fragen.
    Und dann war da Amina, die sie nach den Geschehnissen nicht mehr loslassen wollte und sich geradezu an sie klammerte. Ständig war sie bei ihr, wollte mit niemandem sonst zusammen sein und verbarg ihre Verunsicherung, ihre Unfähigkeit, mit dem Tod, den sie gesehen hatte, zurechtzukommen, indem sie beharrlich immer wieder auf die Ereignisse zu sprechen kam. Und Adhara war für sie da, versuchte, ihr, so gut es ging, beizustehen, nicht zuletzt weil sie spürte, dass man, indem man anderen half, manchmal auch sich selbst ein wenig helfen konnte.
    Doch wer ihr am meisten fehlte, war Amhal, der wie vom Erdboden verschwunden war. Eine ganze Nacht hatte er eingeschlossen in dem Zimmer bei seinem toten Meister gewacht. Erst am Morgen war er dann, ohne irgendjemanden, auch sie nicht, eines Blickes zu würdigen, herausgekommen und hatte sich dann sogleich wieder in die Akademie zurückgezogen, wo er sich entweder nur in seiner Kammer oder der Halle, in der er trainierte, aufhielt. Aufgetaucht war er nur ein einziges Mal, und zwar an dem Tag, als sein Meister feierlich bestattet wurde.
    Nach langem Regen war es endlich wieder einmal ein sonniger Tag. Immer näher rückte der Herbst, und in der Luft lag der Geruch von feuchtem Holz und gefallenen Blättern.
    Die Bestattungsfeierlichkeiten fanden auf dem großen Platz statt, auf dem Adhara, Amhal und Mira gerade mal drei Monate zuvor gelandet waren. Zahlreiche Trauergäste hatten sich eingefunden. Die königliche Familie, die meisten Drachenritter, alle Schüler der Akademie und viel gemeines Volk. Obwohl sich Adhara betont unauffällig gekleidet hatte und sich etwas abseits von den anderen hielt, spürte sie zahlreiche Blicke auf sich gerichtet. Neben ihr stand Amhal, abweisend und schweigend.
    Angesichts seiner tiefen Trauer, seines eingefallenen Gesichts sowie seiner geschwollenen, dunkel umränderten Augen
gab sie bald schon den Versuch auf, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Zudem schaute er sie nicht an, blickte nur starr ins Leere sowie auf den Scheiterhaufen, auf den Miras Leichnam gebettet war. Denn so schieden die Drachenritter aus der Welt, in einem großen reinigenden Feuer und mit dem Wind, der ihre Asche in alle Richtungen zerstreute.
    Rechts neben Amhal stand San, ernst und gefasst, versunken in die allgemeine Trauer. Adhara betrachte ihn lange. Seit dieser Mann aufgetaucht war, hatte sich alles verändert. Es war, als habe sich durch ihn irgendetwas in Bewegung gesetzt, als seien all die Ereignisse in Gang gekommen, die sie nun auch hierher vor diesen Scheiterhaufen geführt hatten. Sie schüttelte den Kopf: unsinnige Gedanken, denen sie sich nicht überlassen durfte.
    Der König hielt eine Ansprache, dann der Oberste General und auch Neor. Tausende Worte, in den Wind gesprochen, sinnlose Worte, die nichts daran änderten – weder hinzufügten noch wegnahmen -, wie Mira gewesen war.
    Dann setzte sich ein Fackelzug in Bewegung. Jeder, der das Bedürfnis verspürte, konnte mithelfen, den Scheiterhaufen zu entzünden. Amhal war der Erste. Schweigend, todernst trat er heran, hielt die brennende Fackel ans Holz und kehrte dann auf seinen Platz zurück, um in das Feuer zu

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