Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
starren, das einen Teil seines Lebens verschlang.
Auch Adhara war danach, an diesem Ritus teilzunehmen, hatte das Gefühl, diesem Mann etwas schuldig zu sein.
Als sie zurückkehrte, stand Amhal immer noch reglos wie eine Statue da, mit den trockenen Augen eines Menschen, der all seine Tränen bereits vergossen hat. Sie blickte ihn an, schaffte es aber immer noch nicht, ihn anzusprechen. Deshalb betete sie, er möge irgendetwas sagen, und sei es auch ein Vorwurf, weil sie nicht in der Lage gewesen war, das Unglück zu verhindern. Doch Amhal mied ihren Blick. Da ergriff Adhara seine Hand und drückte sie. Sie war
schlaff und kalt. So weit wie jetzt war er noch nie von ihr entfernt gewesen.
Alle drei trugen noch ihre Trauergewänder. Neor blickte hinaus in den feinen Regen, der über Makrat niederging. Der Sommer ist vorüber , dachte er wehmütig.
»Er kann es nicht gewesen sein.« Seine Mutter war blass, nervös.
Neor konnte sie verstehen. Der Jüngling, der Mira umgebracht hatte, war einer ihrer Leute, und zwar jener Spitzel, den sie, auf seinen Wunsch hin, auf San angesetzt hatte.
»Seine Täterschaft ist aber so offensichtlich, dass selbst du sie nicht leugnen kannst.« Learco war nicht weniger angespannt als seine Gemahlin.
»Beruhigt euch«, schaltete Neor sich ein und wandte sich dann an seine Mutter. »Dass er die Tat verübt hat, steht außer Frage.«
»Damit unterstellst du, dass ich meine Leute nicht gewissenhaft aussuche! Dass ich Verräter in unseren Reihen dulde!«, rief Dubhe aufgebracht.
»Jedem kann mal ein Fehler unterlaufen …«
Neor bremste seinen Vater mit einer Handbewegung. »Halten wir uns doch an die Fakten. Dein Mann hat Mira überfallen und getötet. Das ist einfach nicht abzustreiten. Und nun stellt sich die Frage: Wie weit kannst du deinen Leuten trauen?«
»Blind«, antwortete Dubhe, ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken.
»Glaubst du denn, ich würde jeden in meine Reihen aufnehmen? Die Ausbildung ist verdammt hart, und zudem wird jeder einzelne Kandidat auf Herz und Nieren geprüft. Nein, meine Agenten sind in höchstem Maß vertrauenswürdig.«
»Verrat kann überall gedeihen«, sagte Learco nachdenklich.
Dubhe funkelte ihn böse an. »Wofür hältst du mich? In
den Händen dieser Leute liegt deine Sicherheit und die unseres Landes. Glaubst du wirklich, ich würde mir jemanden in den Palast holen, dessen Lebensgeschichte auch nur die kleinsten dunklen Stellen aufweist?«
Neor wurde langsam ungehalten. In dieser gereizten Atmosphäre konnte er nicht so gut nachdenken, wie es eigentlich nötig gewesen wäre. »Jetzt beruhigt euch doch endlich einmal. In der Gefahr ist Zorn stets der beste Verbündete des Feindes.« Seine Stimme klang schneidend kalt und ging wie eine Trennwand zwischen seinen Eltern nieder.
Erneut rollte er zum Fenster und blickte hinaus, während sein Gehirn in der spannungsgeladenen Stille fieberhaft arbeitete.
»Es geht nicht anders: Wir müssen Nachforschungen anstellen zu deinem toten Agenten«, sagte er schließlich, während er sich wieder seinen Eltern zuwandte. Dubhe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist nicht gegen dich gerichtet. Aber Verrat ist nun mal Teil der menschlichen Natur, und ich würde ihn, offen gesagt, in diesem Fall auch nicht ausschließen. Leute ändern sich.«
»Ich habe ihn erst vor einem Jahr bei uns aufgenommen.«
»Er war jung, da kann er sich in einem Jahr sehr verändert haben«, erwiderte der Prinz trocken. »Auf alle Fälle müssen wir bei ihm ansetzen. Vielleicht ein Anfall von geistiger Umnachtung, oder er wurde von jemandem gedungen … wer weiß. Jedenfalls konzentrieren wir die Ermittlungen im Augenblick auf den Mörder selbst.«
Dubhe ärgerte sich, doch Neor wusste, dass sie ihm eigentlich nur Recht geben konnte. Learco hingegen schien zufrieden.
»Allerdings«, fügte der Prinz hinzu, »fällt doch ein Umstand auf, den wir nicht vernachlässigen dürfen.« Seine Eltern horchten auf. »Wahrscheinlich handelt es sich um einen bloßen Zufall, aber seltsam ist doch, dass ausgerechnet
der Agent, den wir auf San angesetzt hatten, die Tat verübt hat.«
»Was willst du damit sagen?« Diesmal war es Learco, der aufbrauste.
»Nichts Bestimmtes. Aber zweifellos müssen wir auch diese Tatsache ins Gesamtbild des Falles einordnen.«
Sein Vater blickte ihn vielsagend an. Neor wusste, wie wichtig San ihm war, dass dessen Rückkehr so etwas wie einen Wendepunkt in seinem Leben markierte.
»Er hat
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