Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
würde sie Amhal aufsuchen und sich immer wieder neu dem Kampf stellen. Sie würde um ihn kämpfen, würde gegen San um Amhals Seele kämpfen und nicht aufgeben, bis sie den Sieg errungen hatte.
Für Amhal war es, als verschwände alles, was ihm einmal wichtig gewesen war, nach und nach am Horizont. Schon während des Fluges auf Jamilas Rücken Richtung Damilar hatte er festgestellt, dass bestimmte Teile seines Lebens keine Bedeutung mehr für ihn hatten, eine Entwicklung, die ihn anfangs noch mit Erleichterung erfüllte. Denn als Erstes löste sich die Trauer um Mira in Luft auf. Die Erinnerungen an die gemeinsamen Jahre und die Dinge, die der Meister ihn gelehrt hatte, versanken in einem dichten Nebel des Vergessens, der seinen Schmerz linderte und seine Sinne stumpfer und stumpfer werden ließ. Der Wille, gegen sich selbst zu kämpfen, erlahmte, während ihn die Not, von der er hier umgeben war, bei lebendigem Leib zu verzehren schien.
In Damilar diente sein Schwert nicht mehr dazu, Schutz
zu bieten, denn zu schützen gab es nichts mehr. Es war nur noch dazu da, zu verletzen, zu verstümmeln, zu zerstören. Zu töten, wenn jemand versuchte, aus dem Pferch der Erkrankten zu fliehen, dazwischenzufahren, wenn Flüchtlinge im Lager aneinandergerieten, unerbittlich darüber zu wachen, dass die Quarantäne in den Dörfern eingehalten wurde. Doch wozu? Der Tod war längst überall. Ständig fand die Seuche neue Opfer. Leute, mit denen man sich morgens noch, über den unaufhörlichen Regen oder die kalten Nächte klagend, unterhalten hatte, lagen abends schon röchelnd mit den ersten schwarzen Flecken auf der Haut danieder. Gewiss, manche genasen auch. Doch blieben sie für ihr Leben gezeichnet. Niemand konnte in die Hölle hinabsteigen und darauf hoffen, unbeschadet wieder hervorzukommen. Sie waren wie Gespenster, jene, die der Krankheit entronnen waren. Sie trugen den Tod in sich.
Und immer heftiger packte Amhal die Raserei, Tag für Tag, Stunde für Stunde. Bevor er hierherkam, war er mit dem Töten nicht vertraut gewesen. Nur wenige Male in seinem Leben war er dazu gezwungen gewesen und hatte sich danach immer mit Schuldgefühlen gequält. Nun verging kein Tag, an dem sein Schwert nicht irgendein Leben auslöschte. Und niemand fand etwas dabei. Der Furor in seinem Herzen jubilierte und trieb ihn dazu, sich ständig neue Opfer zu suchen, seine Klinge wieder und wieder in lebendiges Fleisch zu stoßen.
Dieses Wüten sowie sein Meister San waren in Damilar das einzig Lebendige für ihn. Zwei Dinge, die eng miteinander verbunden waren, wie Amhal sehr genau wusste. In Sans Brust schwelte die gleiche Glut. Vielleicht hatte er deswegen von ihm geträumt.
»Wie schaffst du das?«, hatte er ihn eines Abends gefragt. »Wie schaffst du das, mit dem inneren Toben zu leben?«
»Ich nehme es an«, hatte San geantwortet. »Ich habe es zu meinem Verbündeten gemacht.«
»Aber graust es dich denn nicht vor diesem Trieb, diesem Wüten in deiner Brust?«
San hatte den Kopf geschüttelt. »Sieh dich doch nur einmal um. Nichts als Wüten, nichts als Raserei, wohin du auch blickst. Ja, Amhal, das ist nicht die heile Welt, in der du bisher gelebt hast, sondern die Welt, wie sie wirklich ist. Die Welt, aus der ich komme und die auch deine Heimat ist. Eine Welt, in der die Erbarmungslosigkeit notwendig ist, um überleben zu können. Auch dir ist sie eigen, diese Lust an der Gewalt. Wir beide tragen sie in uns, und deshalb kann uns nichts geschehen. Unser inneres Feuer ist so stark, dass es dem Tod trotzt. Nur deshalb erkranken wir nicht.«
Mehr und mehr gab Amhal den Kampf gegen sich selbst auf, ließ es geschehen, dass ihn immer häufiger die Mordlust überkam, während er sich daran gewöhnte, die restliche Zeit über in einer Art ständiger Betäubung zu leben. Einer Betäubung, in der er nichts tat, an nichts dachte. So war er zwar nicht lebendig, aber das Grauen, von dem er umgeben war, wurde erträglich. Noch nicht einmal Adharas Eintreffen hatte an diesem Zustand etwas ändern können.
Gewiss, es gab sie noch, die Gefühle für sie, verborgen unter einem dicken Panzer, hinter tausend Schleiern, in die er sich gehüllt hatte, um bestimmte Dinge nicht zu sehen. Aber er wollte es nicht zulassen, wollte sich diesem Gefühl nicht hingegeben, denn sie, Adhara, war etwas Reines, das es zu bewahren galt, die Erinnerung an eine andere Zeit, in der er sich noch dem Trugbild hingegeben hatte, etwas ändern zu können.
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