Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
nicht.
Ein Laboratorium.
Ein Labyrinth aus Gängen mit niedrigen Decken.
Eine Unzahl gleicher Räume, die von Klagelauten erfüllt waren. Ein Tisch aus ungeschliffenem Holz, an den Wänden Regale voller Fläschchen und Krüge.
Und die Zellen. Die Zellen der Kreaturen .
In Adharas Kopf begann sich alles zu drehen. Und plötzlich überkam sie wieder eine sehr vertraute Empfindung, die alle anderen hinwegfegte. Sie erinnerte sich, was sie hergeführt hatte, und ihre Schritte wurden wieder schneller, so als sei ein Zauber gebrochen. So hastete sie durch die Flure, stieg über Trümmer hinweg und gelangte schließlich in einen Saal mit eingestürzter Decke. Auf dem Boden vom Feuer
verzehrte Balken, rußgeschwärzte Ziegelsteine – und Amhal. Sie hatte ihn tatsächlich gefunden. Seine strahlenden Hände lagen auf Sans Hüfte, der vor ihm saß. Adhara fletschte die Zähne. Keinen Augenblick überlegte sie, wie sie vorgehen sollte.
»Amhal!«, rief sie
Er fuhr herum. Adhara erstarrte, als sie sein Gesicht sah, eine ausdruckslose Maske, hinter der nur Leere war. Nichts deutete darauf hin, dass er gerade einen Mann getötet hatte. Seine Züge waren starr, sein Blick war stumpf.
San machte eine unwirsche Handbewegung. »Was zum Teufel willst du?«
Wie versteinert stand Adhara da. Denn jetzt, da sie ihn, San, dort sitzen sah, hier an diesem Ort, spürte sie es plötzlich, wusste sie es: Die Geräusche, die sie damals vernommen hatte, waren Kampfeslärm gewesen, zu Boden stürzende Körper, Schmerzensschreie, Schwerterklirren. Und für die ganze Zerstörung, die sie danach mit eigenen Augen gesehen hatte, war nur ein einziger Mann verantwortlich. Er . San. Das nahm sie überdeutlich wahr. Das war sein Werk, er hatte diesen Ort zerstört. Damals hatte sie ihn nicht sehen können und war doch völlig sicher, dass er es war. Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann.
»Das warst du«, murmelte sie. »Du hast dieses Blutbad angerichtet …«
San schob Amhal zur Seite und stand auf. Lächelnd. Und Adhara rührte sich nicht. Es war nicht nur die Klarheit all der so plötzlich und gleichzeitig zurückgekehrten Erinnerungen, die sie lähmte, sondern vor allem dieses undurchschaubare Lächeln, ein Lächeln, das sie, wie sie spürte, mehr hasste als alles andere auf der Welt.
Sie zog den Dolch. »Amhal wirst du nicht bekommen! Mira, Learco, ja den ganzen Hof hast du auf dem Gewissen. Aber ihn bekommst du nicht!«
San trat einige Schritte auf sie zu. »Ich nehme mir nichts,
was mir nicht zusteht! Amhal will es so, er verlangt danach, mit mir zu kommen.«
Da schnellte Adharas Arm vor, um auf ihn einzustechen.
Nur ein wenig zurückzuckend, wich San aus. »Ach, du willst Ernst machen …«, murmelte er mit grimmiger Miene.
»Ja, und wenn ich es mit dem Leben bezahle«, zischte Adhara.
»Gib dir keine Mühe. Das lohnt sich nicht für dich. Denn wer bist du denn schon? Ein Wesen, das ohne Seele geschaffen wurde. Und du maßt dir an, ihn zu verstehen, Amhal, der wie ich über und jenseits von allem steht? Wir sind von einer anderen Welt, und du hast keine Möglichkeit, uns zu erreichen.«
»Du hast Amhal immer nur Lügen erzählt, von Anfang an. Aber er ist noch nicht verloren.« Adhara starrte ihn aus flammenden Augen an. »Denn ich liebe ihn!«
San brach in Gelächter aus. »Du, ihn lieben? Du weißt doch gar nicht, wovon du redest.« Mit einem aufreizenden Schaben zog er Nihals schwarzes Kristallschwert aus der Scheide. »Es geht hier nicht um Liebe, kleines Fräulein. Sondern darum, wer wir sind. Es geht um das Schicksal, ein Schicksal, das uns fesselt und dem keiner entrinnt. Keine Kraft der Welt, am allerwenigsten deine törichte Liebe kann diese Tragödie, die sich vor deinen Augen abspielt, aufhalten.«
Er streckte ihr die Klingenspitze entgegen und nahm Angriffsposition ein.
»Und nun scher dich fort! Verschwinde aus dieser Geschichte, bevor sie dich zerquetscht. Denn das, was wir dir hier bieten, ist die Geschichte , die einzige, die in der Aufgetauchten Welt je erzählt wurde und die sich seit Generationen, Jahrhundert für Jahrhundert, stets wiederholt.«
Adhara ließ ihn diesen widersinnigen Wortschwall kaum beenden, da warf sie sich schon auf ihn und stieß zu, legte in diesen Dolchstoß alle Kraft, über die sie verfügte. Doch es
war vergebens, ihr Arm prallte an einer silbernen Barriere ab, die sich im Nu um den Mann herum aufgebaut hatte. Sie wich zurück, während San zum Schlag ausholte.
So begann es, und es
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