Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
zugeflüstert wurden, Tränke, die sie einnehmen sollte, seltsames Licht. Sicher weiß sie nur, dass es entsetzlich war, eine Tortur. Weiter zurück ist nichts, nur Leere, nicht der Hauch einer Erinnerung.
Der Mann greift unter ihre Achseln, schleift sie irgendwohin. Sie hört ihn keuchen und möchte schreien vor Schmerz, doch sie kann nicht.
Sie befinden sich in einem düsteren Schlauch, in dem es schimmlig stinkt.
Jetzt schafft sie es, sich ohne fremde Hilfe zu bewegen. Sie kriecht durch die Finsternis, folgt diesem Mann.
Lass mich zurück, lass mich hier sterben … , denkt sie.
Ein Schloss schnappt auf. Die Geräusche sind jetzt gedämpfter, sie hört fast nichts mehr.
Der Mann stößt sie in einen Raum: Auch dort ist es eng, sie will sich wehren, hat aber keine Kraft dazu. Und so kann sie nicht verhindern, dass er sie dort einschließt.
»Hör zu, du wartest hier auf mich. Und sei ganz leise. Ich werde nicht lange fort sein. Verstehst du?«
Chandra nickt schwach.
»Ich werde dich holen kommen. Ich klopfe an die Wand, zweimal fest und einmal schwach.« Er macht es ihr vor. »So, verstehst du?«
Sie nickt wieder. Sie hat verstanden.
»Sehr gut. Und bleib hier, egal, was passiert.«
Dann schließt sich die Tür, und alles ist finster.
Dort drinnen bleibt sie, wartet und wartet. Sie weint, schlägt mit den Fäusten gegen die Wand, es scheint hoffnungslos, sie ist zu schwach, und niemand wird sie hören.
Dann denkt sie wieder an die Worte dieses Mannes. Er wird sie holen kommen. Ja, gewiss.
Die Zeit verrinnt und scheint doch stillzustehen. Ihre Sinne werden schärfer, sie hört Geräusche, ganz fern, nimmt den Schimmelgeruch wahr, der die Ziegelsteinwände zersetzt.
Das matte Licht, das von oben einsickert, durch einen Spalt, der breit genug ist, um Luft einzulassen. Frische, saubere Nachtluft. Sie presst ein Auge gegen diesen Spalt, erkennt ein schwaches Licht, das eine Weile zu sehen ist und irgendwann erlischt. Dann beobachtete sie, reglos dahockend, wie das Schwarz der Nacht in ein Blau übergeht und schließlich ein blasses Rot. Das Licht wird heller. Aber niemand zeigt sich.
So vergehen Stunden, Tage? Sie weiß es nicht. Das Licht nimmt wieder ab, färbt sich schwach rot, so wie einige Stunden, zu viele Stunden zuvor, dann blau und wieder schwarz.
Und irgendwann beschließt sie: Ich muss hier fort. Mit aller Kraft presst sie sich gegen die Mauer, findet einen Stein, der sich nach außen schieben lässt. Und plötzlich dreht sich die Wand in ihren Angeln und geht auf. Sie stürzt hinaus und bleibt eine ganze Weile am Boden liegen.
Obwohl sie so schwach ist, gelingt es ihr, sich aufzurichten und den finsteren Gang, den sie gekommen sind, zurückzukriechen. Je weiter sie vordringt, desto deutlicher steigt ihr ein Brandgeruch in die Nase.
Die nächste Tür aus Ziegelsteinen. Diesmal weiß sie schon, wie sie zu öffnen ist. Sie stürzt hinaus – und findet sich in der Hölle wieder. Überall Rauch. Sie hustet. Auf dem Boden Trümmer und verbrannte Körperteile. Leichen. Sie erkennt Arme, Beine, Rümpfe, Köpfe, entstellte Gesichter. In unvorstellbarer Zahl. Chandra erbricht sich. Angst, eine düstere Furcht hat sie erfasst.
Er wird nicht mehr kommen , denkt sie, und ihr wird klar, dass sie auf sich allein gestellt ist. Sie durchquert die Räume, überklettert Trümmer und rauchende Balken, lässt sich von ihrem Instinkt leiten. Im Grund kennt sie den Weg. Er ist ihr beigebracht worden. Auf die gleiche Art wie alles Übrige auch. Indem man es auf irgendeine Weise ihrem Geist einpflanzte.
Sie biegt in einen Seitengang ein. Sie muss so schnell wie
möglich dort hinaus. Sie weiß, dass dieser Weg ins Freie führt. Aber die Anlage ist groß. Und ihr tut alles weh.
Immer wieder lehnt sie sich einen Moment gegen die Wand, stützt sich mit den Händen an der Mauer ab, schleppt sich weiter und weiter. Die Angst treibt sie hinaus. Der Gestank von verbranntem Fleisch hinter ihr setzt ihr zu, dreht ihr den Magen um, aber sie gibt nicht auf. Und langsam wird der Gestank schwächer.
Irgendwann geht der Gang mit den Ziegelsteinwänden in einen Erdstollen über. Der Gestank ist fast verschwunden.
Sie fragt sich, wo der Mann stecken mag, der sie abzuholen versprach. Was soll sie jetzt tun? Was wird sie draußen vorfinden? Ist dort ein Platz für sie?
Sie weiß nur das, was man sie gelehrt hat. Sie weiß, wie man kämpft, verfügt über magische Kenntnisse, weiß, was eine Geweihte ist. Aber was dort
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