Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
heraus, wer er ist. Marvash. San ist Marvash.«
Das wusste Adhara bereits. Sie hatte es gespürt.
Du bist die Geweihte. Deshalb wusstest du es.
Sie schüttelte den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Das war ein Irrtum. Sie war überhaupt nichts.
»Aber heute erst habe ich die ganze Wahrheit erkannt. Es gibt zwei Marvashs. San und Amhal. Du hast sie ja selbst kämpfen sehen, nicht wahr. Es sind zwei Zerstörer!«
Die Miene des Mannes wirkte angstverzerrt, aber das war nichts, verglichen mit dem Entsetzen, das Adharas Glieder erfasst hatte. »Ich … nein …«
»Du wirst gegen zwei Zerstörer kämpfen müssen. Und du wirst beiden töten müssen, San und Amhal.«
Die Welt um sie herum begann sich zu drehen. Alles schien sich aufzulösen angesichts dieser Worte, die so entsetzlich klar und gleichzeitig völlig verrückt waren. Kämpfen. Töten.
»Wir sind Freunde, Amhal und ich, er hat mir das Leben gerettet … Ich liebe ihn …«
Adrass legte ihr eine Hand auf den Mund. »Hüte dich vor solch gotteslästerlichen Worten! Er ist dein Feind. Unser Feind. Er ist das Böse, das du bekämpfen musst.«
Adhara sprang auf. »Das ist eine Lüge! Wag es nicht, sie zu wiederholen!«
»Verstehe doch, Chandra, das ist dein Schicksal. Dazu wurdest du geschaffen. Dazu habe ich dich geschaffen! Andere Geweihte vor dir haben es vollbracht, und du wirst ihnen in nichts nachstehen. Du wirst es tun, auch wenn du es gar nicht willst. Weil du nichts anders kannst.«
Adhara schüttelte immer noch den Kopf, so als wolle sie einen Alptraum loswerden. »Du irrst dich. Ich bin überhaupt nichts Besonderes. Vielleicht hast du mich erschaffen, vielleicht hast du ein wenig Gott gespielt, doch was dabei herauskam, hat nichts mit der Geweihten zu tun. Ich bin Adhara, das Mädchen von der Wiese, ich bin die Frau, die Amhal ins Leben führte, indem er ihr einen Namen und einen Lebenssinn schenkte!«
Adrass lächelte verständnisvoll und fuhr dann mit seiner Leier fort: »Du kannst nicht anders. Du kannst dich dieser Aufgabe nicht entziehen …«
Dieses Lächeln, diese von einer unerschütterlichen Gewissheit durchtränkten Worte, raubten ihr den Verstand. Wieder warf sie sich auf ihn. Sie stürzten zu Boden, und sie begann, ihn voller Hass mit heftigen Schlägen zu traktieren.
Wieder und wieder schlug sie zu, bis ihre Knöchel zu bluten begannen. Erst als er sich nicht mehr wehrte und leblos
unter ihr lag, hörte sie auf. Da überkam sie ein Ekel vor sich selbst, vor diesem Groll, den die Verzweiflung in ihr genährt und der ihr die Hand geführt hatte.
Sie rückte von ihm ab und fand sich dann, gleich neben ihm, am Boden kniend wieder, völlig leer und erschöpft, und erbrach sich. Dann sprang sie auf und rannte davon, durch dieselben Gänge, durch die auch Amhal zuvor geflohen war, überließ sich ihren Füßen, die den Weg durch das Labyrinth zu kennen schienen und sie zu irgendeinem Ort führen würden, der sie nicht interessierte.
Und als sie endlich stehen blieb, war über ihr ein erbarmungslos klarer Sternenhimmel, der eine große Wiese überspannte. Jene Wiese. Die Wiese, wo alles begonnen hatte. Sie fiel auf die Knie, konnte nicht mehr weiter. Ein kalter Wind, der vom nahen Winter kündete, strich über das Gras.
Und dann überkamen sie die Erinnerungen, eine nach der anderen, wie Perlen an einer Schnur. Und endlich wusste sie, wer sie war.
Epilog
B ilder, die ihr wie Blitze durch den Kopf schießen. Abgerissene Geräusche.
Schreie und das Klirren von Schwertern.
Nichts.
Ein Ziegelsteingewölbe über ihr.
Nichts.
Ampullen, aufgeschlagene Bücher, Tränke.
Wieder nichts.
Dann er. Der Mann mit Bart, Glatze, besorgtem, fiebrigem Blick.
Er spricht, versucht, ihr etwas zu sagen, zieht sie vom Tisch herunter. Chandra spürt Schmerzen am ganzen Leib, hat aber nicht die Kraft, auch nur den Mund aufzumachen. Er lehnt sie gegen die Wand, schüttet ihr Wasser ins Gesicht. Ein Gefühl wie von Tausenden von Nadeln. Chandra schüttelt den Kopf, schafft es, die Augen ein wenig zu öffnen. Der Mann nimmt jetzt ihr ganzes Gesichtsfeld ein.
»Ich bringe dich an einen sicheren Ort, einverstanden? Hörst du mich?«
Es sind die ersten Worte, die Chandra erfasst. Alles tut ihr weh, und dann dieses Dröhnen, diese entsetzlichen Geräusche … Sie will lieber dort liegen bleiben, vielleicht dort sterben, aber in Frieden. An die vorhergehenden Tage hat sie nur eine sehr unbestimmte Erinnerung. An Schmerz vor allem, an
Worte, die ihr
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