Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
ich isoliert.«
Sie entspannte sich. Ihre Leute waren wirklich gut ausgebildet.
»Allerdings musste ich ihn im Land des Wassers zurücklassen. Natürlich mit allem ausgestattet, was er zum Überleben benötigt. Aber dennoch habe ich mich bemüht, den Kontakt mit ihm auf ein Minimum zu beschränken.«
Wieder verharrte die Königin eine Weile in nachdenk – lichem Schweigen.
»Du hast Recht. Was du da berichtest, scheint mir eine ernste Angelegenheit zu sein«, erklärte sie dann und erhob sich. »Hier könnte tatsächlich eine unbekannte Seuche ausgebrochen sein. Jedenfalls müssen wir der Sache auf den Grund gehen. Und dazu ist es notwendig, Seine Majestät ins Vertrauen zu ziehen.«
Josar nickte. Er verstand. Er verstand sehr genau.
»Und du bleibst fürs Erste hier in Makrat und lässt dich von einem Heilpriester untersuchen. Zu Khan schicken wir Boten aus und sorgen dafür, dass auch er untersucht wird. Wir sprechen uns morgen wieder.«
Josar stand auf und legte zum Gruß die zur Faust geballte Hand aufs Herz, beugte das Knie und wandte sich zur Tür.
Die Königin blieb allein zurück. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, alle Probleme logisch zu durchdenken, bemühte sich aber auch, ihren Instinkt zu seinem Recht kommen zu lassen. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass sich da etwas Entsetzliches anbahnte.
Ganz sanft pochte Dubhe an die Tür. Sie wusste, dass sie keine Antwort erhalten würde, aber dies war zu einer Art Ritual zwischen ihnen beiden geworden: anzuklopfen, bevor sie eintrat, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Einige Augenblicke wartete sie, dann öffnete sie die Tür. Wie gewöhnlich saß er, in Gedanken vertieft, am Tisch in der Mitte des Raumes. Das bernsteinfarbene Licht, das durch die großen Scheiben einfiel, umgab seine Gestalt mit einem hellen Schein.
Er war noch jung mit seinen dreißig Jahren, ein schmächtiger Mann, blass, mit langen, dünnen, im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren von solch einem hellen Blond, dass sie fast weiß aussahen. In seinen feinen Gesichtszügen stand ein Anflug von Leid. Der Stuhl, auf dem er saß, war mit Rädern ausgestattet, während seine starr wirkenden Beine unter einer schweren Decke ruhten. Auf dem Tisch lagen einige Blätter, die er aufmerksam studierte, während er sich mit der Feder, die für Notizen diente, sanft am Kinn kratzte.
Dubhe musste lächeln, während sie langsam, bemüht lautlos, näher trat. Sie mochte es, Menschen, die ihr nahestanden, dabei zu beobachten, wie sie ohne sie existierten, und bei ihrem Sohn war das Vergnügen daran sogar noch ausgeprägter: zu spüren, dass er ihr in manchen Dingen sehr ähnlich war, in anderen wiederum gar nicht, sich daran zu erinnern, wie er als Kind in ihren Armen gelegen hatte, oder ihn jetzt als Mann zu sehen, wie er sich um die Regierungsgeschäfte des Königreiches kümmerte. Diesen Sohn hatte sie sich sehnlichst gewünscht und lange auf ihn warten müssen. Jahrelang hatten sie, Learco und sie, sich vergeblich bemüht, dem Land einen Thronerben zu schenken. Vielleicht eine Nachwirkungen des Fluches, dem sie als junges Mädchen lange Zeit unterworfen war, so dachte sie, oder vielleicht war es ihnen auch einfach nicht bestimmt, Kinder zu haben. Neor kündigte sich an, als sie beide, fast schon auf der Schwelle
zum Herbst ihrer Leben, bereits jede Hoffnung aufgegeben hatten.
Neor, das war der Name eines Onkels von Learco gewesen, den dieser sehr geliebt hatte und der Jahre zuvor auf tragische Weise – Learcos Vater Dohor hatte ihn hinrichten lassen – ums Leben gekommen war.
Dieses Kind bedeutete für Dubhe die Erfüllung ihres Lebens, so als sei sie nun endlich, nach gar zu langer Überfahrt, glücklich in den Heimathafen eingelaufen.
Jetzt nahm Dubhe Neor gegenüber Platz und sah ihm weiter zu, bis er endlich, ohne dass er von seinen Papieren aufgesehen hätte, lächelte. »Denk nur nicht, ich hätte dich nicht eintreten hören.«
Auch Dubhe schmunzelte. »Dabei sahst du so versunken aus …«
Neor war der Thronerbe, aber jedermann wusste, dass er nicht König werden konnte. Mit seinen gelähmten Beinen, seiner insgesamt anfälligen Gesundheit wäre er ein schlechter Herrscher gewesen. Zumindest war er selbst dieser Ansicht. Eine Zeit lang hatte Dubhe sich bemüht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
»Es sind nicht die Körperkräfte, die einen Mann zu einem guten König machen. Da kommt es auf andere Fähigkeiten an, und die besitzt du – alle!«, hatte sie
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