Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
bekommen hatten.
»Und da sind wir ihnen begegnet.« Er erzählte stockend und brach immer wieder ab, so als müsse er neue Kräfte sammeln, um fortfahren zu können. Sein Kumpan hatte ihm einen Arm um die Schultern gelegt. »Sie waren zu zweit, einer noch ziemlich jung, und von dem anderen könnte ich das Alter jetzt schwer einschätzen. Sie trugen Kapuzen über dem Kopf.« Wieder musste er Luft holen. »Aber der eine trug ganz sicher unter dem Umhang die Uniform des Vereinten Heeres. Ich weiß, wir hätten uns von ihnen fernhalten sollen, aber wir hatten eben Hunger und dachten, in der Not…«
»Schon gut, Jiro, niemand macht dir hier Vorwürfe.«
»Wir kamen noch nicht einmal dazu, über sie herzufallen. Ich schwör’s euch, unsere Schwerter steckten
noch in der Scheide, da hat der Ältere schon seine Waffe gezogen: Schwarz war sie und glitzerte im Mondlicht.«
Einen Moment lang schloss Adhara die Augen. San. Dann blickte sie Amina an: Gebannt lauschte sie und biss die Zähne zusammen. Unter der Tischplatte legte Adhara ihr eine Hand auf das Knie.
»Ein Kampf war das nicht. Nein, das war ein echtes Gemetzel. Man hat gesehen, welchen Spaß ihnen das Töten machte, beiden, sowohl dem Älteren als auch dem Jungen. Der in der Uniformjacke führte einen riesigen Beidhänder. Zum Fürchten war der…«
Der junge Bursche legte eine Hand vor sein gesundes Auge. Er weinte jetzt, und seine Schultern wurden von Zuckungen geschüttelt.
»Ihr macht euch ja keine Vorstellung von der Wut, die in seinen Augen blitzte«, fuhr er dann fort. »So was habe ich noch nie gesehen, auch die Elfen können nicht schlimmer sein! Ich habe mich dann tot gestellt und eine ganze Nacht und einen ganzen Tag zwischen den Leichen meiner Kameraden gelegen. Nur so habe ich überlebt.«
Adharas Stimme zitterte, aber sie bemühte sich, die Frage deutlich zu stellen: »Wo war das?«
Jiro riss sich zusammen und blickte sie verstört an. Es dauerte einen Moment, bis er antworten konnte. »Westlich von hier«, erklärte er dann, »vier Tagesmärsche von der Front entfernt. Ich habe ganz deutlich gehört, wie sie von Kalima redeten, einem Dorf im Süden des Landes des Wassers, nur wenige Meilen vom Saar entfernt.«
Bleiernes Schweigen machte sich breit. Gewiss hatte der Bursche sein Erlebnis schon Dutzende Male zum
Besten gegeben, aber seine Zuhörer schienen wieder so entgeistert wie beim ersten Mal. Aber wer wollte es ihnen verdenken? Wenn sie noch nicht einmal mehr den Rittern des Vereinten Heeres trauen konnten, an wen sollten sie sich da noch wenden?
Obwohl ihr Magen knurrte, bekam Adhara keinen weiteren Löffel Suppe hinunter.
Die Nacht verbrachten sie neben dem alten Wirtshaus, in dem großen Zelt, in dem alle Flüchtlinge einen Platz zum Schlafen fanden. »Morgen früh versorgen wir uns mit Vorräten, und dann ziehen wir sofort weiter«, erklärte Adhara der Prinzessin, als sie sich ihr Lager zurechtmachten. Amina hatte ein paar Münzen dabei, die wahrscheinlich reichen würden, um sich eine Woche zu verpflegen.
Adhara fand keinen Schlaf. Was dieser Junge, Jiro, erzählt hatte, das entsetzte Flackern in seinen Augen, aber auch wieder das Bild, wie Amhal Neor die Kehle durchschnitt, all das ging ihr pausenlos durch den Kopf und ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Was mochte von dem Amhal, in den sie sich verliebt hatte, noch übrig sein? Wo war der junge Ritter, der mit aller Kraft gegen das Böse, das in ihm steckte, angekämpft hatte? Von diesem Amhal konnte sie nichts mehr wiedererkennen in der breiten Blutspur, die er hinter sich herzog, einer Spur, der sie zu folgen gezwungen war, um ihn vielleicht doch wiederzufinden.
Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch zweifelte sie an ihrem Entschluss. Vielleicht hatte Amhal sich doch schon zu weit von allem Menschlichen entfernt, vielleicht war längst jede Möglichkeit verbaut, ihn von seinem
verhängnisvollen Weg abzubringen. Aber wenn es sich so verhielt, verlor auch für sie alles Sinn und Bestand: ihre Flucht, ihre Wanderung, ihre ganze Existenz, die von Amhal geprägt worden war.
Von diesen Zweifeln gequält, warf sie sich ruhelos auf ihrem Lager hin und her.
7
Der König
G egen Morgen gelangten sie ans Ziel. In der Luft lag der Geruch von Moos und feuchtem Holz. Den letzten Teil des Wegs hatten sie sich wieder von dem Lindwurm tragen lassen. »Dieses Gebiet hier haben die Elfen schon erobert. Hier sind wir in Sicherheit«, erklärte San.
Sie waren durch das Kampfgebiet gezogen und
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