Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
hatte sie gepackt, denn nun begann sie sich zu erinnern. An die überall in ihrem Fleisch steckenden Nadeln, an die Schmerzen, unter denen die magischen Ströme von Adrass’ Händen in ihren Körper hinübergeflossen waren. Unwillkürlich spannte sie ihre Armmuskeln an, und das wahnsinnige Verlangen, freizukommen, wurde noch stärker, unbeherrschbar.
»Ganz ruhig bleiben, du wirst gleich einschlafen und nichts mehr spüren«, sagte Adrass in sachlichem Ton, dem jedes Mitleid fehlte.
Er legte ihr das Säckchen auf den Mund und presste es ihr fest gegen die Lippen. Eine Träne rann Adhara über das Gesicht, dann wurde alles schwarz, und der Ritus begann.
Adrass betrachtete den schlafenden Körper, und eine Spur Wehmut kam in ihm auf. Es war, als tauche er noch einmal in jene Zeit ein, als er sie geschaffen hatte, eine ruhmreiche Phase in seinem sonst unauffälligen, bedeutungslosen Leben. Damals war er nicht allein, sondern
wurde von der Kraft einer ganzen Sekte gestützt, die ihm ein Ziel vorgab, an das zu glauben sich lohnte.
Er entspannte sich wieder, während er die Instrumente neben sich zurechtlegte. Als er aus dem Refugium der Erweckten so eilig fliehen musste, hatte er nicht mehr alle seine Werkzeuge, aber doch eine ganze Reihe davon zusammenraffen können. Und die würden ihm jetzt wohl reichen. Sie waren eingeschwärzt von dem Feuer, das San gelegt hatte, doch im Schein der magischen Flammen funkelten sie auch noch rot von Blut.
Als Erstes nahm er eine dünne gläserne Kanüle mit einer metallenen Spitze zur Hand. Damit saugte er eine durchsichtige Flüssigkeit aus einem Fläschchen und spritzte sie in Adharas Hals. Langsam drang die Elfenlymphe in ihren Körper ein, löste aber nicht mehr als ein leichtes Zucken der Glieder aus. Nun war das Nymphenblut an der Reihe, das er in die pulsierende Schlagader injizierte. Er hatte es sich unterwegs besorgt, als er zufällig der Ermordung einer unschuldigen Nymphe durch zwei Wanderer beiwohnte. Weil Nymphen sehr schnell verwesten, sich in klares Wasser auflösten, das augenblicklich im Erdboden versickerte, hatte er schnell handeln müssen. Aber er war geschickt genug gewesen und hatte sich einen ordentlichen Vorrat zulegen können. Dieses Mal reagierte Adharas Körper mit heftigen Krämpfen, so dass Adrass gezwungen war, ihn mit beiden Armen festzuhalten, während das Blut durch das Netz der Adern strömte und sie bläulich aufleuchten ließ. Als sich die Krämpfe gelegt hatten, griff er zu dem Gefäß neben sich und holte ein Stück Menschenfleisch hervor.
Es hatte ihm den Magen umgedreht, als er die Leiche hatte sezieren müssen. In den Laboren der Sekte war das noch anders gewesen. Kühl, mit chirurgischer Abgeklärtheit hatten die Erweckten dort ihre Arbeit verrichtet, während man sich im Krieg kaum dem Grauen angesichts aufgerissener Leiber und abgetrennter Gliedmaßen entziehen konnte.
Er setzte Chandras Körper auf, so dass sie nun mit dem Rücken an der Felswand lehnte. Dann griff er zu einigen Kräutern und führte sie ihr unter der Nase entlang. Da öffnete sie die Augen. Leere Augen, denen jeder Ausdruck fehlte, die Augen, in die er über Monate während seiner Experimente geblickt hatte.
»Gut gemacht«, lobte er sie, obwohl sie nicht bei sich war. Aber es gehörte zur Konditionierung und war notwendig, damit sie ihm widerstandslos gehorchte.
Dann fütterte er sie mit dem Fleisch, Stückchen für Stückchen, indem er ihr bei jedem Bissen den Hals massierte, um sie schlucken zu lassen. Als der Behälter leer war, umfasste er ihre Schultern und legte sie wieder hin. Nun blieben nur noch die Zauber zu vollführen. Dabei handelte es sich um die gleichen Formeln, wie sie diese Verräterin Theana in ihrer Heilkunst praktizierte, nur waren sie für seine Zwecke an die Rituale der Schwarzen Magie angepasst worden.
Er sammelte sich einen Moment und griff dann zu einer Feder, die er in eine schwarze Flüssigkeit tauchte. Danach setzte er die Spitze an Chandras Unterleib an und begann, ihr verschlungene Symbole in die Haut zu ritzen, die sich aber, während er die Formeln sprach, sofort wieder schloss. Da kam Bewegung in Chandras
Körper, sie schüttelte sich, und ein unterdrücktes Stöhnen kam ihr über die Lippen. Sie litt, aber das Schlimmste stand ihr erst noch bevor.
Das Nichts belebte sich. Jene Erscheinungen, die Adhara zunächst, während Adrass sie in Schlaf versetzte, nur undeutlich gespürt hatte, nahmen Gestalt an. Ungeheuer, aus
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