Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
auch vergoss, dieses Gefühl vollkommener Machtlosigkeit wollte nicht weichen. Ihre Finger krampften sich ins Betttuch, sie rieb sich die Augen, bis sie ganz rot waren, aber die Wut blieb, saß fest in ihrer Brust und nahm ihr die Luft zum Atmen.
»Du hast Recht«, antwortete Dubhe erschöpft. »Ich denke häufig daran zurück, wie San bei uns am Hof auftauchte und was dein Großvater über ihn sagte und wie er sich freute, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Und ich erinnere mich auch an Amhal, und ich weiß noch, wie ich ihn zum ersten Mal sah, als er, kaum den Kinderschuhen entwachsen, gerade in die Akademie eingetreten war. Und wenn ich daran denke, packt mich eine blinde Wut, und ich würde am liebsten zum Schwert greifen und ganz allein losziehen, um sie hinter den feindlichen Linien zu stellen und sie für alles büßen zu lassen.«
Einen Moment lang blickte sie aus dem Zelt, so als versuche sie, die Ruhe wiederzufinden, die sie gerade zu verlieren begann, wie Amina deutlich spürte.
»Und warum tust du es nicht?«, fragte sie. »Ist es nicht unsere Pflicht, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn die Götter, oder wer auch immer, solche Verbrecher straflos davonkommen lassen?«
Traurig lächelte Dubhe ihre Enkeltochter an. »Ich hatte wirklich geglaubt, dass du dich niemals mit solchen Gedanken belasten musst. Ich hatte mir vorgestellt, meinen Kindern und Enkelkindern wäre ein anderes Leben als mir selbst beschieden und sie würden mit dreizehn Jahren einfach nur fröhliche, unbeschwerte Jugendliche sein.« Sie seufzte. »Doch die Umstände zwingen dich jetzt leider, sehr schnell erwachsen zu werden. Und deinen Bruder ebenso.«
Amina blickte sie fragend an. »Ja, während du dich irgendwo in der Aufgetauchten Welt herumgetrieben und deine Mutter und mich vor Sorge fast um den Verstand gebracht hast, ist dein Bruder König geworden. Er hat den Thron deines Vaters bestiegen und regiert das Reich von Neu-Enawar aus.«
Amina versuchte, sich das vorzustellen. Kalth als König. Stark und gerecht, wie es ihr Vater gewesen war. Und die Trauer zog ihr die Eingeweide zusammen.
»Du musst jetzt tatsächlich erwachsen werden und verstehen, dass diese Gerechtigkeit, wie du sie dir vorstellst, Amina, nicht immer erreichbar ist. Nicht jeder schwere Verbrecher findet seine gerechte Strafe. Das musst du begreifen und dich damit abfinden.«
Lange schwieg sie, hing offenbar eigenen Gedanken
nach. Welchen, hätte Amina nicht sagen können. Dazu kannte sie ihre Großmutter zu wenig. Ihr Vater hatte ihr nie von deren Vergangenheit erzählt, und auch am Hof waren Dubhes Jugendjahre immer von einem undurchdringlichen Geheimnis umgeben.
»Ich will mich aber nicht damit abfinden. So habe ich es übrigens auch von meinem Vater gelernt. Der hat mir immer gesagt, dass man ändern muss, was nicht gerecht ist. Du und Großvater, ihr habt doch auch für eine bessere Welt gekämpft. Oder etwa nicht?«
»Ja, etwas verändern. Aber das heißt doch nicht, einen sinnlosen Tod zu suchen.«
Amina blickte ihre Großmutter zweifelnd an.
»Was hoffst du denn zu erreichen, wenn du Rache nimmst?«, fuhr diese fort. »Glaubst du, damit machst du deinen Vater wieder lebendig? Oder dass du dich danach besser fühlst?«
»Ich will dafür sorgen, dass Vater und Großvater ihren Frieden finden.« Diesen Gedanken hatte sie irgendwo mal gelesen, in einem jener Abenteuerbücher, die sie verschlungen hatte, als sie noch ihr normales Leben am Hof führte. In diesen Geschichten gab es immer einen Helden, der alles in Ordnung brachte und die Bösen für ihre Taten büßen ließ. Und danach war die Welt ein wenig besser geworden. Sie liebte diese Geschichten, in denen Schurken ihren gerechten Tod fanden und allen ihre Verbrechen heimgezahlt wurden.
Dubhe erlaubte sich ein Lächeln. »Frieden finden die Toten nur dann, wenn sie im Augenblick des Todes wissen, dass es den Menschen, die sie zurücklassen, trotzdem gutgehen wird. Denk doch mal an deinen Vater.«
Dubhe atmete einmal tief durch. »Denk daran, was er dich lehrte und wie lieb er dich hatte. Glaubst du wirklich, er würde sich freuen, dich hier in diesem Zustand zu sehen? Glaubst du, es würde ihm gefallen, miterleben zu müssen, wie du vor Schmerzen heulst und dich im Fieber windest, noch dazu in dem Bewusstsein, selbst der Grund für das alles zu sein?«
»Das stimmt nicht, nicht seinetwegen …«
»Doch, um seinen Tod zu rächen, bist du losgezogen, nur deswegen bist du verwundet
Weitere Kostenlose Bücher