Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
häufig, was in seinem Kopf vorging, ob es ihm wirklich gelungen war, sich von allen Gefühlen zu befreien. Für ihn selbst wäre das undenkbar gewesen. Die Raserei der Schlacht, die Gier, mit dem Schwert zu töten und zu verstümmeln, waren für ihn der Lebenssaft, von dem er sich nährte.
Zerstreut hörte er zu. Amhal war schlicht unbesiegbar, denn seine Kräfte schienen weiter zugenommen zu haben, seit er die letzten Skrupel abgelegt hatte.
»Ich bekam es mit einem kleinen Mädchen zu tun.«
San horchte auf. »Wie? Ein kleines Mädchen?«
Während ihm Amhal von Aminas inbrünstigem Versuch erzählte, den Vater zu rächen, verzog sich Sans Miene zu einem amüsierten Lächeln. Er hatte etwas übrig für unbezähmbare Charaktere und war durchaus bereit zuzugeben, dass der Mut der kleinen Prinzessin bewundernswert war.
»Und? Hast du sie getötet?«
»Das hätte ich getan, wenn sie nicht aufgetaucht wäre.«
San spürte, wie ihm ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief. »Von wem sprichst du?«
Fast unmerklich zuckten Amhals Augen, als er den Namen aussprach. »Adhara.«
San schenkte seinem Wein keine Beachtung mehr, stellte den Pokal auf dem Boden ab und stand auf. »Erzähl schon.«
Die ersten Tage nach dem Ritus waren unerträglich. Bei dem leisesten Anzeichen von Erschöpfung beschäftigte sich Adrass mit Chandras Gesundheitszustand und fragte sie unablässig, wie es ihr gehe. Adhara hatte diesen Namen gründlich satt. Und zudem fühlte sie sich so eigenartig, ganz anders als sonst, so als sei sie nur noch Gast in ihrem eigenen Körper und dieser mit einem Mal zu einem labbrigen Kleidungsstück geworden, das ihr nicht mehr richtig passte. Es stimmte nicht mehr richtig, wie ihre Muskeln reagierten, eine Art mangelnde Abstimmung zwischen Körper und Geist, die ihre Bewegungen verlangsamte. Sie hätte Adrass davon unterrichten müssen, hatte aber keinerlei Lust dazu. Denn sie war bemüht, den Umgang mit diesem Mann auf ein Mindestmaß zu beschränken und ihm deutlich zu zeigen, dass sie durch nichts anderes als die Interessen verbunden waren, die sie zu diesem bestimmten Zeitpunkt teilten.
»Es geht mir wirklich gut«, sagte sie irgendwann, wobei sie entnervt seine Hand von ihrer Stirn fortschob.
»Sperr dich doch nicht so. Wenn ich nicht genau Bescheid weiß, kann ich nicht entscheiden, ob wir schon aufbrechen können. Du weißt doch, die Zeit drängt.«
»Worauf warten wir dann noch? Ich fühle mich gar nicht mehr schwach«, antwortete sie mit bemüht überzeugter Stimme. Es war zwar gelogen, aber sie hatten keine andere Wahl, sie mussten sich endlich auf den Weg machen.
Adrass blickte sie eine Weile an, packte schließlich
seine Sachen zusammen und verließ die Höhle. Ein langer, melodischer Pfiff erklang. Ein Lockruf. Im ersten Moment verstand Adhara nicht, was es damit auf sich hatte, aber dann tauchte ein schwarzer Punkt am Horizont auf. Zunächst mochte man ihn für einen Vogel halten, aber als er näher kam, erkannte sie die schwarzen Schwingen und den schlanken Leib, der jetzt auf die Ebene niederschwebte. Ihr Herz machte einen Sprung. Es war Jamila.
Er hat sie zurückgelassen , dachte sie entrüstet. Für einen Drachenritter gab es eigentlich nicht Heiligeres als seinen Drachen; ihre Schicksale waren unauflöslich miteinander verwoben. Nur der Tod und zuweilen noch nicht einmal dieser konnte sie trennen.
»Ich bin auf den Drachen gestoßen, als ich nach dir gesucht habe. Der Marvash muss sich von ihm getrennt haben, als er beschloss, dem Ruf seines Verführers zu folgen«, erklärte Adrass.
»Soweit ich weiß, sind doch Drachen auf ewig ihrem Herrn verbunden. Wie hast du es angestellt, dass er dir gehorcht?«
Adrass lächelte. »Ich bin vielleicht kein begnadeter Magier, aber um mit dem Geist eines Drachens in Kontakt zu treten, reichen meine Künste bei weitem aus.«
Er trat an Jamila heran und streichelte ihr über das Maul. Das Tier schien diese freundliche Geste eher widerwillig über sich ergehen zu lassen, während seine Augen auf Adhara gerichtet waren. Im Blick des Drachens schien eine Frage zu stehen. ›Warum?‹
Wenn ich das nur wüsste, Jamila …
»Der Drache wird uns nach Makrat fliegen«, erklärte Adrass.
»Ist das nicht ein etwas zu auffälliges Fortbewegungsmittel?«
»Das glaube ich nicht. Die Leute sind alle viel zu beschäftigt damit, zu kämpfen oder ihr nacktes Leben zu retten. Da hat niemand Augen für uns. Die Welt ist in Auflösung begriffen,
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