Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
worden.«
Amina konnte nicht anders, als den Blick zu senken. Von dieser Seite aus hatte sie die Dinge noch nie betrachtet.
»Er hat immer gewollt, dass du gesund und glücklich aufwächst. Und auch jetzt, da er nicht mehr unter uns ist, hat sich an diesem Wunsch nichts geändert. Aber nun liegt es ganz an dir, ihm diesen Wunsch zu erfüllen.«
Sie hatte Recht, ihre Großmutter hatte so verdammt Recht. Es ging ihr nicht nur um Gerechtigkeit. Hinter dieser Wahnsinnstat, die sie hatte vollbringen wollen, stand noch etwas anderes.
»Ich weiß, wie schwer es dir fällt, untätig zu sein. Denn ich bin da genau wie du«, fuhr ihre Großmutter fort. »Wir sind nicht dazu geschaffen, die Hände in den Schoß zu legen und uns mit der brutalen Realität der Dinge abzufinden. Erst wenn wir etwas unternehmen, unseren Körper in Bewegung setzen, kommen unsere Gedanken zur Ruhe.«
Amina traute ihren Ohren nicht. Es war, als blicke ihr die Großmutter ganz tief ins Herz. Dass sie sich in dieses
Abenteuer gestürzt hatte, hing auch mit dem Verlangen zusammen, diese Spannung loszuwerden, die sie schon seit ihrer Kindheit in sich trug.
»Schau mich an! Was mache ich hier? Bis zur Front bin ich vor dem Kummer geflohen, der mich zu Hause nicht mehr loslassen wollte«, erklärte Dubhe weiter.
»Und hat es geklappt?«, fragte Amina leise.
Dubhe wusste nicht so recht, was sie antworten sollte. »Manchmal klappt es«, gestand sie dann. »Aber darum geht es nicht. Denn wenn du tatsächlich dem Andenken deines Vaters Ehre erweisen willst, musst du dich bemühen, dein Leben genau dort wieder aufzunehmen, wo San und Amhal es zerbrochen haben. Das ist ein langer, steiniger Weg, aber denk immer dran, Rache führt letztlich zum Tod. Du aber hast etwas Besseres verdient.«
Schweigend lehnte sich Dubhe auf ihrem Stuhl zurück, so als müsse sie selbst darüber nachdenken, was sie der Enkelin gerade auseinandergesetzt hatte. Amina erkannte, wenn auch noch etwas verschwommen, dass ihre Großmutter Recht hatte. Rache war nur der Versuch, den Schmerz zu betäuben, den sie in sich spürte, den Hass zu besänftigen, der sie innerlich zerriss. Und doch war das Verlangen danach immer noch da, wie sie deutlich an diesem Druck auf ihre Brust spürte.
Dubhe stand auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Versprich mir, darüber nachzudenken. Wenn du beschließt, dich zu ändern, sollst du wissen, dass du nicht allein bist. Ich werde alles tun, um dir dabei zu helfen, dich selbst zu finden. Meinst du allerdings, so weitermachen zu können wie bisher, muss dir klar sein,
dass ich dich mit allen Mitteln daran hindern werde. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
Amina sah ihr nach, wie sie langsam das Zelt verließ. Ihre Worte waren wie ein Samenkorn für sie, das noch aufgehen musste, und doch zeichnete sich am Horizont schon ein neuer Weg ab.
Sie ist wie ich, ich kann ihr vertrauen, sie versteht mich .
Wenn es ihr gelänge, so wie Dubhe als jungem Mädchen, den Hass und diese verzweifelte Kampfeslust umzulenken und für etwas Sinnvolles zu nutzen, würde sie ihren Platz im Leben und ihren Seelenfrieden finden. Kämpfen, ja, aber nicht, um Rache zu üben. Sondern für ein höheres Ziel. Für das Königreich, für ihren Bruder und nicht zuletzt für ihren Vater.
16
Die tote Stadt
A mhal war soeben aus der Schlacht zurückgekehrt, sein Beidhänder rot von Blut, die Rüstung ruß- und schlammverschmiert. In seinen Augen nicht die leiseste Regung. Kalt und erbarmungslos blickten sie starr vor sich hin, während ihn sein Adjutant, den Kryss für ihn abgestellt hatte, langsam auszog. San saß bei ihm im Zelt, mit einem Pokal Rotwein in der Hand. Die Elfen liebten Rotwein. Bei Orva, in den Hügeln gleich hinter dem Riff, bauten sie ertragreiche Reben an, aus deren Trauben sie einen kräftigen, aromatischen Roten gewannen. Den verfeinerten sie mit Honig und Gewürzen und streckten ihn mit ein wenig Wasser. San war ganz vernarrt in diesen Wein und liebte es besonders, sich damit nach der Schlacht den derben Geschmack von Staub und Erde aus dem Mund zu spülen.
»Nun?«, fragte er, als Amhal alle Teile der Rüstung abgelegt hatte. Jetzt trug er nur noch seine gewohnte Lederweste, auf der das blutrot glitzernde Medaillon prangte, das Kryss ihm geschenkt hatte. »Wie ist es dir ergangen?«
Mit knappen Worten, aber präzise wie immer erstattete Amhal Bericht. Seit der Elfenkönig seinen Wunsch erfüllt hatte, war er vollkommen verändert. San fragte sich
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