Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Saal vibrierte, Decke und Holzstützen schwankten so bedenklich, dass Adhara fürchtete, das Gewölbe könne nachgeben und einstürzen. Dann hielt alles inne, und eine unheimliche Stille machte sich breit. Anstelle der Sonne aber öffnete sich nun vor ihnen ein tiefer Schlund, in den wieder eine Treppe hinunterführte, dieses Mal aus Metall. Adrass versuchte wieder, die Führung zu übernehmen.
»Folge mir«, forderte er sie auf.
Adhara tat es. Es waren nur wenige Stufen, und schon fanden sie sich in einem breiten, leicht abwärtsführenden Gang wieder. Zur Linken erhob sich ein Mäuerchen von anderthalb Ellen Höhe mit breiten Gewölben darüber, die von schlanken Säulen aus schwarzem Kristall getragen wurden. Dahinter ein unermesslicher Abgrund. Als Adhara sich über das Mäuerchen lehnte, umwehte sie ein warmer Wind, der ihr einen eigenartigen Geruch zutrug. Wie Schwefel roch es, aber auch nach Feuchtigkeit und Schimmel. Auf der rechten Seite flankierten Regale aus Ahornholz den Weg, die mit ihrer hellen Farbe einen merkwürdigen Kontrast zur Gegenseite bildeten. Sie waren mindestens zehn Ellen hoch und bis in den kleinsten Winkel mit Büchern vollgestopft. So etwas hatte Adhara noch nie gesehen. Ganz oben gaben Tafeln in elfischer Schrift die einzelnen Fachgebiete an. Spiralförmig wand sich der Gang in diese gespenstische Leere hinein, während sich seitlich, in regelmäßigen Abständen, Räume öffneten, die wahrscheinlich einmal als Lesesäle gedient hatten. Im Grunde handelte es sich bei der Bibliothek um einen gigantischen Trichter, der endlos in die Tiefe hinabführte.
Keuchend lehnte sich Adrass gegen die Wand. »So ist die ganze Bibliothek aufgebaut. Die Bücher findet man in den einzelnen Sälen und entlang dieses Ganges. Wir haben keine Ahnung, wie tief er reicht, einige unserer Brüder haben versucht, ihn zu ergründen, und sind hinabgestiegen. Aber keiner ist je zurückgekehrt«, erklärte er. »Viele dieser seitlichen Nischen und Höhlen sind eingestürzt, andere überflutet. Das alles ist so gigantisch, dass man es sich kaum vorstellen kann.«
Staunend schaute Adhara sich um. Sie traute ihren Augen kaum. Von dem, was sie sich unter einer Bibliothek vorstellte, hätte dieser Ort tatsächlich nicht weiter entfernt sein können. Zudem strahlte er etwas Beunruhigendes aus. Dieser Abgrund im Zentrum lockte sie und versetzte sie gleichzeitig in Angst und Schrecken. Wie tief mochten die Elfen ins Erdreich vorgedrungen sein? Und was hatten sie dort gelagert?
Die Decke war mit herrlichen Mosaiken in prächtigen Farben verziert: goldgelb, rubinrot, smaragdgrün, kobaltblau. Eine Farbenpracht, die das Schicksal derer, die sie geschaffen hatten, Vertreibung und Not, über die Jahrhunderte unbeschadet überstanden hatten.
»Weißt du denn jetzt, wo wir suchen müssen?«
Adrass räusperte sich. »Nun, ich habe hier eine Karte von den verschiedenen Ebenen, aber die Abteilung, die uns interessiert, liegt in einem Bereich, in den noch niemand vorgestoßen ist. Wir müssen uns auf einen längeren Weg gefasst machen.«
Es dauerte nicht lange, bis sie ihr Zeitgefühl vollkommen verloren hatten. Aber anscheinend gab es dort unten Verbindungen ins Freie, denn obwohl die Luft mit Feuchtigkeit getränkt schien, fiel ihnen das Atmen nicht schwer. Nur die Müdigkeit ihrer Beine diente ihnen als Maß für die Wegstrecke, die sie bereits zurückgelegt hatten. Unmöglich hätten sie sagen können, wie viele Stockwerke sie schon durchquert hatten. Ihre magischen Lichtquellen erhellten bestenfalls zwei über und zwei unter ihnen. Die restliche Bibliothek verlor sich in völliger Finsternis.
»So, jetzt reicht es erst einmal«, sagte Adhara irgendwann.
»Wieso? Bist du erschöpft?«
»Nein, du bist erschöpft.«
»Ach was, lass uns weitergehen«, wehrte er ab und drehte sich wieder um.
Adhara musste ihn am Kragen packen. »Wir rasten jetzt hier. Ich will, dass du dich erholst. Denn ich brauche dich, um mich hier unten zurechtzufinden. Außerdem bist du meine einzige Hoffnung, meinen körperlichen Zerfall aufzuhalten. Also, ruhe dich aus.«
Adrass’ Wangen wirkten eingefallen, und seine Haut war schweißgebadet. Notgedrungen nickte er und ließ sich von ihr in einen der seitlichen Räume führen.
GESCHICHTE stand auf der Tafel über dem Eingang. Vor ihnen lag ein ellipsenförmiger Raum, der von einigen übervollen Bücherregalen in verschiedene Bereiche unterteilt wurde. Sie waren so angeordnet, dass sich
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