Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
ein Labyrinth ergab. Um sich nicht zu verlieren, suchten sie sich nicht weit vom Eingang eine Nische, wo sie sich bequem zu zweit niederlegen konnten.
Die Bücher dort waren in denkbar schlechtem Zustand, denn Schimmel hatte das Papier zerfressen. Zudem hatte er sich an weiten Teilen der Wände festgesetzt und sie mit unheimlichen Mustern überzogen.
»Ob hier irgendwelche Gefahren lauern?«, fragte Adhara mehr sich selbst als ihren Gefährten.
Adrass schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht. Diesen Bereich hier hatten auch wir Erweckte schon erkundet. Du kannst beruhigt schlafen.«
Und mit diesen Worten sank er selbst in tiefen Schlaf,
und zu vernehmen war nur noch sein schwerer, röchelnder Atem. Adhara betrachtete ihn lange und fragte sich, wie das weitergehen sollte. Adrass ging es sehr schlecht, daran gab es keinen Zweifel. Sie warf einen Blick auf ihre bandagierte Hand. Die Flecken begannen nun, unter dem Verband hervorzuschauen und auf das Handgelenk überzugreifen. Es war noch nicht ausgestanden. Auch wenn sie sich frischer fühlte, diese Zersetzung schritt lautlos, schleichend weiter fort.
Nur mit Mühe fand sie in den Schlaf, denn in ihrer Hand pochte es immer stärker und erinnerte sie daran, dass sie, wenn sie sich nicht beeilten, am Ende dieser Reise nur noch eins erwartete: der Tod.
20
Geschöpfe des Abgrunds
A dhara fuhr aus dem Schlaf hoch. Zunächst wusste sie nicht, wo sie sich befand, denn die Dunkelheit war so undurchdringlich, dass sie einen Moment lang glaubte, die Augen noch geschlossen zu haben. Und in diesem Schwarz, das sie umgab, hörte sie nur ein anhaltendes Geräusch, ein kehliges, schweres Atmen wie ein unterdrücktes Röcheln. Es dauerte eine Weile, bis sie ganz bei sich war. Dann entzündete sie rasch eine magische Fackel, in deren Schein nun Adrass auftauchte. Sein Anblick traf sie wie ein Blitzschlag.
Sie richtete sich auf und sah ihn genauer an. Heftige Zuckungen schüttelten seinen Leib, und er rang nach Luft, so als wolle sich seine Lunge nicht mehr füllen. Die Fingernägel seiner Hände, die schlaff am Boden lagen, waren blutunterlaufen.
Adhara wusste sofort Bescheid. Jetzt gab es keine Zweifel mehr: Adrass hatte sich mit der Seuche angesteckt. Eine Weile betrachtete sie ihn reglos, beinahe fasziniert von seinem Leid. Diese Hände, die sie berührt, ja geschaffen und gequält hatten, würden bald selbst im
Todeskampf zucken. Eigentlich hätte sie sich freuen müssen, denn schließlich war Adrass ihr Feind, mehr noch, der Feind schlechthin. Aber das gelang ihr nicht. Stattdessen empfand sie ein unterschwelliges Mitleid mit diesem Mann, der dort vor ihr auf dem Boden lag, wobei sie sich selbst über dieses Gefühl ärgerte, das über den rechtmäßigen Wunsch, dass er nicht sterben möge, damit er sie noch retten konnte, hinausging. Sosehr sie ihn auch hassen mochte, sosehr es sie auch drängte, ihn seinem Schicksal zu überlassen, sah sie andererseits in ihm auch eine fühlende Kreatur, die litt, genauso wie sie selbst.
Als Adrass erwachte und langsam die Augen aufschlug, schreckte sie aus ihren Gedanken auf und beugte sich zu ihm hinab.
Einen Moment lang starrte Adrass zur Decke und versuchte dann, sich aufzusetzen.
Mit einer Hand auf seiner Brust hielt sie ihn sanft davon ab. »Bleib liegen. Dir geht’s wirklich nicht gut.«
Unwillkürlich wollte er ihre Hand wegschieben, erstarrte aber einen Moment, weil er seine blutunterlaufenen Nägel sah. Ein leichter Schauer durchfuhr ihn, doch hatte er sich sofort wieder in der Gewalt und versuchte, auf die Beine zu kommen. »Unsinn«, knurrte er.
»Du hast doch deine Fingernägel gesehen und weißt, was das bedeutet.«
Er schaute kurz zu ihr auf, und Adhara meinte, in diesem Blick eine Art Urangst zu erkennen, eben jene, die auch sie damals am Fluss überfallen hatte.
»Wir müssen los, uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Nein. Du hast Fieber. So kannst du nicht mehr weiter.«
Adrass tat so, als habe er sie nicht gehört, beugte sich schwerfällig über seinen Quersack, kramte darin herum und holte schließlich ein verschrumpeltes Äpfelchen hervor. »Das können wir uns teilen. Unterwegs.«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
»Und ich habe gesagt, wir gehen weiter«, fuhr er sie an.
Adhara war sprachlos. S oll er doch sehen, wie er zurechtkommt, dachte sie verärgert. Soll er doch sterben, wo er will. Verloren ist er auf alle Fälle . Sie nahm den Apfel entgegen, aß die Hälfte und wollte ihm den
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