Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
und den Glauben, dass in einer neuen fruchtbaren Heimat alles anders sein könnte. Im Grunde wären sie wohl alle gerne als Herren nach Erak Maar heimgekehrt, und einige erwähnten sogar eine Wiedereroberung. Doch Kryss war der Erste, der davon sprach, wie solch ein Plan zu verwirklichen sei, der Erste, der diesen Traum ernst nahm und sich daranmachte, ihn in die Tat umzusetzen.
Wie er so redete, schien er von einem heiligen Feuer entflammt, so als seien es die Götter selbst, die ihm seine Worte eingaben. Er sprach von Ehre und von der Notwendigkeit, sich das zurückzuholen, was ihrem Volk rechtmäßig zustand, ein Exil zu beenden, das schon viel zu lange währte.
Shyra zählte zu den ersten, die fest an ihn glaubten. In Erak Maar würde alles anders sein. Die Not wäre vergessen, und die Soldaten würden ihre Zeit nicht
mehr mit sinnlosen Übungen totschlagen, sondern ihre Fähigkeiten tatsächlich anwenden können.
Und wäre der Krieg erst einmal gewonnen, würde man die eroberten Gebiete unter allen Elfen gerecht aufteilen, so dass jeder sein kleines Stück Land erhalten würde. Shyra gelobte Kryss Gehorsam, indem sie vor ihm niederkniete und ihn flehentlich bat, sie bei sich aufzunehmen.
Später hätte sie nicht mehr sagen können, warum sie das getan hatte. Aber damals dürstete sie danach, zu töten und Blut zu vergießen – schließlich hatte man sie im Tempel nichts anderes gelehrt. Sie hungerte nach einem Ziel und nach Idealen. In der kleinen Welt von Orva gibt es nichts, für das es sich zu leben oder zu sterben lohnt, dachte sie, hier gibt es keinen Ruhm zu ernten.
Kryss bot ihr ein Ideal, auf das sie ihr ganzes Leben ausrichten konnte, etwas, das in ihren Augen sehr viel verheißungsvoller war als die Aussicht auf ein ruhiges Leben, auf eine Familie mit Mann und Kindern.
»Ich vertraue ihm«, erklärte sie Lhyr, »und das solltest du auch tun. Unser Exil dauert schon so lange, dass wir uns an die Erniedrigung dieses Flüchtlingslebens gewöhnt haben. Aber Erak Maar ist unser Vaterland.«
»Aber geht es dir denn nicht gut hier, Schwester? Liebst du Orva nicht mehr?«, fragte Lhyr unsicher.
»Das hat damit gar nichts zu tun. Hier geht es darum, sein Leben zu opfern, um für unsere Kinder eine bessere Welt zu schaffen. Du wirst sehen, Kryss macht unser Volk wieder so groß, wie es einst gewesen ist.«
»Wozu müssen wir denn unbedingt groß sein? Ich
liebe unsere Stadt, das Meeresrauschen, die Veridonia-Blüte. Hier sind wir doch glücklich. Oder willst du das abstreiten?«
Shyra schüttelte den Kopf. »Aber es ist nicht unser Zuhause!«
»Für mich ist es das. Und für viele andere Elfen auch.«
»Es ist aber falsch, so zu empfinden. Dein Zuhause ist dort, wo die Gebeine deiner Vorfahren ruhen, es ist das Land, das die Götter deinem Volk gegeben haben, das sie für dich geschaffen haben, noch bevor du selbst geboren wurdest.«
»Nein, mein Zuhause ist dort, wo meine Erinnerungen leben und die Personen, die ich liebe«, erwiderte Lhyr mit ernster Miene, wobei sie sich aufrichtete und ihre Schwester eindringlich anblickte. Dann fügte sie hinzu: »Mein Zuhause ist dort, wo du bist.«
Shyra wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. »Natürlich … für mich auch, aber …« Sie schluckte verwirrt. »Aber in Erak Maar werden wir alle viel glücklicher sein«, sagte sie dann und ging wieder dazu über, die Schwester mit all den Propagandageschichten zu überschütten, mit denen Kryss zu jener Zeit die Elfen für seine Sache gewinnen wollte.
Lhyr hörte ihr schweigend zu, lächelte nur hin und wieder betrübt. »Das mag ja alles stimmen … aber seine Augen gefallen mir überhaupt nicht«, sagte sie schließlich.
Zunächst waren es nur wenige, die an Kryss’ Sache glaubten. Manche lachten ihn aus, und wer sich ihm anschloss, galt als Fanatiker.
Andere stimmten ihm aber im Stillen zu oder schlossen sich gleich seinen Truppen an. Etwa weil es wieder eine Missernte gegeben hatte und die Bevölkerung hungerte oder weil man die politische Ordnung der Stadtstaaten mit ihren inneren Spaltungen ablehnte und sich einen Zusammenschluss aller Elfen zu einer einzigen großen Nation wünschte.
Bald fand die Bewegung immer mehr Zulauf. Hatten die neuen Ideen anfangs nur heimliche Befürworter gefunden, so verbreiteten sie sich irgendwann so rasend schnell wie ein Lauffeuer, das sich von Haus zu Haus fraß, die Familien erfasste und sie entzweite. Und wer zunächst noch gelacht hatte, war irgendwann
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