Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Einverstanden?«
»Ich finde das irgendwie makaber.«
»Bist du nun einverstanden oder nicht?«
Shyra fühlte sich genötigt zu nicken.
»Schwöre es!«
»Ich schwöre es.«
Zwillinge galten den Elfen als ein Zeichen des Schicksals. Da nur wenige zur Welt kamen, hielt man sie für von den Göttern auserwählte Geschöpfe, vor allem, wenn sie, wie Shyra und Lhyr, vollkommen gleich aussahen. Deshalb hatten ihre Eltern beschlossen, sie den Schutzgottheiten der Stadt Orva, Shevrar und Phenor, zu weihen. Sie brachten die Mädchen zum Tempel, wo sie von den Priestern aufgezogen und erzogen wurden.
Zunächst war es reiner Zufall, dass Shyra für den Shevrar-Kult und Lhyr für den der Göttin Phenor ausgewählt
wurde. Doch je mehr Zeit verging, desto deutlicher stellte sich auch dies als eine von den Göttern vorbestimmte Wahl heraus. Denn Shyra zeigte sich äußerst begabt im Umgang mit Waffen und benahm sich darüber hinaus eher wie ein Junge, während Lhyr eine Neigung zum Studium und zur Kontemplation eigen war. Dennoch war für beide das Leben im Tempel alles andere als leicht.
In dem Haus, in dem sie aufwuchsen, gab es keine Gleichaltrigen. Sie waren das einzige Zwillingspaar ihrer Generation, und so führten sie ein freudloses Leben in einer Welt von Erwachsenen, die die Kinder zwar verehrten, ihnen aber gleichzeitig auch tausenderlei Pflichten auferlegten. Daher war für beide die einzige tiefere Bindung die zur ihrer Schwester. Sie waren unzertrennlich. Die eine wusste, was die andere dachte, und sobald es ihre Pflichten erlaubten, verbrachten sie, oft schweigend, lange Stunden zusammen.
In den Augen der Priester und auch der anderen hatte ihre enge Bindung etwas Krankhaftes. Doch Shyra und Lhyr störten sich nicht daran. Nur indem sie sich aneinanderklammerten, war das Tempelleben für sie auszuhalten.
Shyra machte eine Blitzkarriere und war mit zwanzig schon General. Aber Lhyr stand ihr in nichts nach, verfügte sie doch über außerordentliche magische Fähigkeiten. Die elfische Magie besaß besondere Merkmale, die viele Menschen glauben ließ, dass die Elfen im Grunde keine richtigen Magier seien. Dabei baute sie lediglich auf anderen Prinzipien auf, vor allem auf einer außerordentlich starken Bindung an die Natur, wie sie
für Menschen unvorstellbar war. Wer dieses enge Band zu nutzen verstand, war als Magier zu unglaublichen Dingen fähig. Und Lhyr war auf diesem Gebiet unschlagbar.
Im Laufe der Zeit trennten sich die Wege der Zwillingsschwestern. Sie lebten nun fern voneinander, und manchmal vergingen viele Monate, ohne dass sie sich sahen. Das krankhafte Aneinanderklammern, das sie in ihrer Kindheit gezeigt hatten, schien im Erwachsenenalter verschwunden zu sein. Doch so stellte es sich nur für andere dar. Shyra trennte sich nie von dem Ledersäckchen mit Lhyrs Haaren, das sie an einer Schnur um den Hals unter dem Hemd trug.
Lhyr hatte ihr zudem einen einfachen Zauber beigebracht, um stets miteinander in Verbindung treten zu können. Den nutzten sie jeden Abend und erzählten einander, was sie den Tag über erlebt hatten. Manchmal war es noch nicht einmal notwendig, von einzelnen Ereignissen lang und breit Bericht zu erstatten. Auf seltsame, geheimnisvolle Weise wussten beide immer, was die andere gerade tat. Es war ein feines Band, ein reißfester Faden, der sie auch auf weite Entfernung immer zusammenhielt und es ihnen ermöglichte, persönlichste Gedanken und Gefühle auszutauschen. Mehr noch, jetzt da sie getrennt voneinander lebten, schienen sie sich sogar noch näher als zuvor zu sein.
Irgendwann tauchte Kryss in Shyras Leben auf. Sie kannte ihn flüchtig, hatte manchmal mit ihm trainiert und das Schwert mit ihm gekreuzt. Als ein gut aussehender junger Mann war er ihr in Erinnerung, der aber
nichts Besonderes an sich hatte, außer seinem Rang: Er war der Sohn des Königs.
In einem Wirtshaus, wo sie ihn im Kreis seiner Kameraden reden hörte, wurde sie auf ihn aufmerksam. Vielleicht war es das, was er sagte, vielleicht aber mehr noch die Art, wie er es sagte. Jedenfalls war sie hingerissen. Dabei erzählte er nichts Neues. Allen Elfen spukte Erak Maar als ein verheißenes Land im Kopf herum. Wenn die Kinder abends im Bett lagen, erzählten die Mütter ihnen von den Schönheiten dieser Welt, erfanden Geschichten über dieses Land, wo angeblich Milch und Honig flossen.
Die Not, die seit Jahrzehnten die Elfen niederdrückte, nährte die Träume von einem Wiedererstarken ihres Volkes
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