Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Sätze, und doch spürte sie jedes Mal wieder dabei ihr Herz bis zum Hals schlagen. Was, wenn sie sich alle verweigerten?
Doch nur das Mädchen rührte sich. »Tut mir leid, aber ich fühle mich dazu nicht in der Lage. Ich kann diese Verantwortung nicht übernehmen.« Mit Tränen in den Augen blickte sie Theana an, auf der Suche nach Anzeichen einer Absolution, die ihr Theana aber nicht erteilen konnte.
»Nimm diese Tür dort. So gelangst du hinaus, ohne den Tempel durchqueren zu müssen.«
Das Mädchen zögerte noch einen Moment und bewegte sich dann mit gesenktem Kopf auf den Ausgang zu.
»Noch jemand?«, fragte Theana.
Alle schwiegen.
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinunter und tauchten in das Chaos im Tempel ein. Schlagartig wurde es still, als man sie einziehen sah.
Unzählige Augenpaare waren auf sie gerichtet. Der Geruch von Tod schnürte einem die Kehle zu. Theana kannte ihn gut. Mittlerweile begleitete er sie immer, auch wenn sie sich zum Beten zurückzog, denn er hatte sich in ihrer Nase festgesetzt, und sie wurde ihn nicht mehr los. Die Priester verteilten sich vor den Wartenden, während sie selbst den Platz im Zentrum des Mittelschiffs einnahm, direkt unter dem schwindelerregend hohen Hauptturm des Tempels. Noch nie hatte sie sich ihrem Gott so fern gefühlt. Einen Moment lang schloss sie die Augen.
»Tritt nur näher«, sagte sie dann zum Ersten mit einem Lächeln im Gesicht.
Die Ermahnung an ihre Mitstreiter, in den Kranken nicht nur eine anonyme Masse zu sehen, war von ihr selbst bald schon nicht mehr zu beherzigen. Die Gesichter überlagerten sich in ihrem Geist, der nach und nach alle persönlichen Züge auslöschte, bis sie irgendwann nur noch das Antlitz der Krankheit vor Augen hatte. Hunderte Mal immer wieder die gleichen Worte. Das Fass mit dem Heilmittel, daneben das mit dem wirkungslosen Ersatz, die Kelle, die hineintauchte und voll wieder herauskam, darin die Entscheidung: Leben oder Tod. So ging das den ganzen Tag und noch viele Stunden der Nacht. Bis niemand mehr da war, bis auf die Leichen derer am Boden, die es nicht geschafft hatten. Bald waren überall in dem Gotteshaus Barmherzige, die sich der Toten annahmen. Theana beobachtete die schwarzen Gestalten, wie sie sich lautlos, Schaben ähnlich, zwischen den Leichen bewegten, erfahren und abgeklärt, ohne auch nur den Anflug von Gefühlen zu zeigen.
Plötzlich kam ihr die ganze Arbeit des langen Tages sinnlos vor. Ja gewiss, seit sie über dieses Heilmittel verfügten, hatte sich vieles zum Besseren gewendet. Die Zahl der Toten war zurückgegangen, und vor allem war die Moral gestärkt worden. Denn jetzt war eine
Ansteckung kein sicheres Todesurteil mehr. Doch gab es weiterhin Opfer. Sosehr sie und ihre Helfer sich bei der Verteilung des Tranks auch aufrieben, sie waren und blieben zu langsam und die Seuche zu schnell. Zudem waren da die Elfen, deren Vormarsch unaufhaltsam weiterging. Landstrich um Landstrich eroberten sie und walzten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Wenn nicht bald etwas geschah, war es ihrer aller Schicksal, aus der Aufgetauchten Welt vertrieben zu werden.
Die Hohepriesterin dachte an die Geweihte, die sie zunächst bei sich festgehalten und dann hatte entkommen lassen. Seitdem bemühte sie sich, diese Adhara zu vergessen, sie aus ihren Überlegungen zu verbannen. Eine Sheireen, die sich gegen ihre Bestimmung auflehnte, die nicht dazu bereit war, ihr Schicksal anzunehmen, war nicht mehr als irgendein beliebiges Mädchen. Aber war es überhaupt möglich, seinem Schicksal zu entfliehen? Thenaars Wege waren unergründlich, sagte sie sich manchmal, und wenn Adhara dazu bestimmt war, sich dem Zerstörer entgegenzustellen und sie alle zu retten, würde es auf irgendeine Weise auch dazu kommen. Mit diesem Gedanken gelang es ihr, die oft quälenden Zweifel zu zerstreuen. Sie verzieh sich, dass sie das Mädchen nicht fester an sich gebunden hatte. Sie war erschöpft, unendlich erschöpft.
»Herrin.«
Theana fuhr herum. Ein junger Priester hatte sie angesprochen, der ihr beim Austeilen des Tranks geholfen hatte. Auch er wirkte von den Anstrengungen gezeichnet, schien aber noch etwas Wichtiges auf dem Herzen zu haben.
»Du hast gute Arbeit geleistet«, lobte Theana ihn mit einem Lächeln.
»Ich habe nicht mehr als meine Pflicht getan, aber deswegen bin ich nicht hier«, erwiderte er. »Es geht um etwas Ernstes, das ich gerne unter vier Augen mit Euch besprechen würde.«
Gemeinsam suchten
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