Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
machen können?« Ich muss über etwas Reales, Echtes sprechen, um den Traum aus meinem Kopf zu vertreiben.
» Die Garde hat für sie gesammelt, und ich habe das Geld gestern Abend bei seiner Frau vorbeigebracht. Trotz allem, was geschehen ist, war sie…« Er schluckt schwer und fährt dann mit einem Hauch von Verwunderung fort: » Sie war dankbar.«
» Es tut mir so leid, dass ich ihn nicht für Euch schützen konnte.«
» Vielen Dank, dass Ihr es versucht habt.«
Er drückt meine Hand noch einmal, bevor er sie loslässt. Ich schiebe sie wieder unter die Decke und spüre ein unbestimmtes Gefühl der Enttäuschung. Seit meiner Begegnung mit dem Tod ist Hector in meiner Gegenwart steif und befangen. Ximena oder Mara hätten meine Hand so lange festgehalten, wie ich es gebraucht hätte.
Er lehnt sich wieder zurück und verschränkt die Arme, als wollte er eine Mauer zwischen uns errichten. » Es kommt oft vor, dass Soldaten nach Kämpfen an Albträumen leiden«, sagt er. » Besonders dann, wenn sie verletzt wurden.«
Meine Brust zieht sich zusammen, wenn ich nur daran denke. » Oh?«
» Und manchmal hilft es, darüber zu sprechen.«
» Habt Ihr Albträume?«
» Ja.« Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
» Und sprecht Ihr darüber?«
Er wendet den Kopf zur Seite, um meinem Blick auszuweichen. » Nein.«
Ich betrachte sein Profil. Normalerweise sieht er so königlich aus, trotz der Narben, die in gezackten Linien über seine linke Wange verlaufen. Aber das Licht, das vom Balkon ins Zimmer fällt, lässt seine Züge weicher erscheinen, fast jungenhaft. » Aber Ihr meint, ich sollte über meine reden.«
» Nur, wenn Ihr wollt.«
» Wir können ja einen Handel abschließen. Ein Albtraum gegen den anderen.«
Sein Blick richtet sich nach innen, als er darüber nachdenkt. Als er mich wieder ansieht, nehme ich eine winzige Bewegung seiner Augen wahr, die mein Gesicht nun gründlich mustern.
Er öffnet den Mund. Schließt ihn wieder. Dann endlich sagt er: » Es wäre sicherlich besser, wenn Ihr Eure Träume mit Ximena oder Mara besprecht.«
Das überraschende Gefühl von Schmerz und Verletzung, das in meiner Kehle aufsteigt, kann ich selbst nicht erklären. » Vielleicht tue ich das«, flüstere ich. » Vielen Dank für Euren Rat.«
In den folgenden Tagen denke ich intensiv über Hectors Worte nach. Zweimal versuche ich, mit Ximena über meine Träume zu sprechen. Aber die Worte gerinnen in meinem Mund. Es ist weniger Angst als vielmehr Scham, die meine Zunge lähmt. Ich ertrage es nicht, vor aller Augen schwach und verängstigt dazustehen. Ich bin jetzt Königin. Ich sollte so viel mutiger, so viel stärker sein.
Aber dann kommt die Nacht, und das Messer erscheint wieder so wirklich, so kalt und scharf auf meiner Haut, nur einen winzigen Augenblick, bevor es wie Feuer in meinem Bauch explodiert. Dann wechselt die Albtraumszene zu einem anderen Ort, zu einem anderen Messer, zu einem anderen Schrecken. Ich bin hilflos, meine Glieder sind wie Blei, als sich der Dolch in Humbertos zarte Kehle bohrt. » Du hättest das verhindern können, Elisa«, sagt er zu mir, bevor die Klinge über seinen Hals fährt und Humbertos heißes Blut über meine Krone sprudelt, die ich plötzlich in den Händen halte.
Dieses Mal werden meine Schreie erstickt von dem Erbrochenen, das aus meinem Mund kommt.
Mara und Ximena eilen zu mir und helfen mir, mich wieder zu säubern. Ich versuche aufzustehen, aber sie hindern mich daran und beteuern, dass sie alles im Handumdrehen wieder in Ordnung bringen werden, während ich ganz ruhig im Bett bleiben kann. Aber ich entwinde mich ihrem Griff mit viel mehr Kraft, als ich eigentlich haben sollte. Dann klammere ich mich an den Bettpfosten, ziehe mich zum Bettrand und schwinge die Füße auf den Boden.
Meine Beine zittern, weil ich sie so lange nicht mehr richtig benutzt habe, aber sie lassen mich nicht im Stich. » Bringt Hector zu mir«, sage ich in den Raum hinein. Unter dem Erbrochenen klebt mir das Nachthemd wie kalter, zäher Brei an der Haut, und der Geruch verdorbener Gewürze brennt in meiner Nase. » Ich muss mich waschen«, erkläre ich meinen Frauen. » Und dann… und dann…« Ich habe keine Wahl. Ich muss mich diesem schwarzen Ungeheuer des Entsetzens stellen, bevor es mich von innen heraus auffrisst. » Und dann muss ich in die Katakomben gehen. Heute Nacht.«
Mit Maras Hilfe bade ich mich schnell. Ximena bringt mir ein Kleid, aber ich schüttele den Kopf. »
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